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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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I. Geschichtsschreibung als memoria
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Hölkeskamp, Karl-Joachim: Mythen, Monumente und Memorialkultur: die 'Corporate Identity' der gens Fabia
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0038
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Mythen, Monumente und Memorialkultur: die ,Corporate Identity* der gens Fabia

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big bestraft werden müsse, sprach der Dictator das Todesurteil gegen Fabius aus und
schickte sich bereits an, es vollstrecken zu lassen. Erst nach den inständigen Bitten
seines Vaters Ambustus, der selbst dreimal Consul und Dictator gewesen war, der
Legaten des Dictators und der Volkstribune, des gesamten Senats und des Volkes
wurde der Delinquent schließlich begnadigt. Fabius Pictor ließ interessanterweise
ausgerechnet diesen nachmals so berühmten Fabius dabei nicht gerade in milde-posi-
tivem Licht erscheinen: Nicht nur habe Fabius seinen Sieg direkt dem Senat brieflich
mitgeteilt und damit den Dictator als Oberbefehlshaber ebenso regelwidrig wie ab-
sichtsvoll übergangen. Obendrein habe er unmittelbar nach der Schlacht auch noch
die erbeuteten Waffen einsammeln und verbrennen lassen, damit der Dictator nicht
Fabius’ Ruhm ernten und die Beute in seinem Triumph mitführen könne - Fabius
habe, so Pictor, den Ruhm eben schlicht nicht teilen wollen.5?
Ein memorabile exemplum strikter Einhaltung althergebrachter religiöser Pflichten
wiederum aus der Zeit der Gailierkatastrophe steht zu diesen Episoden über fabische
Ambitionen und Anmaßungen in einem seltsamen Kontrast: Ein gewisser Fabius
Dorsuo soll die Bewunderung der Bürger und sogar der feindlichen Gallier auf sich
gezogen haben, als er rituell Gabino cinctu mit den sacra in der Hand das belagerte
Capitol verließ, furchtlos durch die Reihen der „vor religiöser Scheu“ erstarrten Be-
lagerer schritt und auf dem Quirinal das feierliche jährliche Opfer durchführte, das
für die gens Fabia genau an diesem Ort zu vollziehen war; dann kehrte er mit genauso
gleichmütiger Miene sicher und unbehelligt zurück.58
Ob diese Erzählung einen irgendwie gearteten authentischen Kern hat, ist zwei-
felhaft, aber hier auch nur von sekundärer Bedeutung - diese exemplarische Illustra-
tion des fabischen Anspruch auf besondere pietas ist jedenfalls sicherlich auf Pictor
zurückzuführen, der ja nicht nur als Experte für religiöse Angelegenheiten, Orakel
und Opfer im Senat gelten muss, sondern auch sonst nachweislich ein intensives Inte-
resse an religiösen Ritualen zeigt, wie etwa die Hinweise auf Orakel, Prophetien und
Tempelweihungen und detaillierte Beschreibungen des Ablaufs der pompa circensis bei
den großen jährlichen Spielen eindeutig belegen.59
Nun stellen sich weitere Fragen - einerseits geht es darum, welche Botschaften
Pictors Erzählungen eigentlich vermitteln sollten, und andererseits darum, an wen
sie sich eigentlich richteten. Eine plausible Vermutung lässt sich nur formulieren,

57 FRH i F24 = FRHist 1F17 (= Livius, Ab urbe condita VIII 30,8-10); vgl. die gesamte Episode bei Livius,
Ab urbe condita VIII 30,1-35,12 und dazu ausführlich Oakley (1998), ad loc.; Walter (2001), S. 266-267;
Beck (2003), S. 82-83.

58 Livius, ab Urbe condita V 46,1-3; 52,3 und dazu Ogilvie (1970) ad loc.; Valerius Maximus I 1,11. Siehe
dazu Smith (2006), S.45-46; 61. Siehe zu den Varianten der Tradition - nach denen dieser Fabius ein
Priester gewesen sei, der am zerstörten Tempel der Vesta ein offizielles Opfer zu vollziehen hatte (Cas-
sius Hemina, FRH 6 F22 = FRHist 6 (F22); Florus, Epitome I 7,16; Cassius Dio, Historiae Romanae VII
frg. 25,5-6) - bereits F Münzer, s.v. Fabius 68, RE 6,2,1909, Sp. 1768.

59 Orakel etc.: FRH 1 F3 = FRHist 1 Fi (= Cicero, de Diwnatione I 43); FRH 1 F19 = FRHist 1 F14 (= Ci-
cero, De diwnatione 155); Tempelweihung: FRH 1 F25 = FRHist 1 F18 (= Livius X 37,14);pompa circensis:
FRH i F20 = FRHist 1 F15 (= Dionysius Halicarnassensis, Antiquitates Romanae VII 71,1-73,5); siehe
dazu etwa Walter (2004) 238-240.
 
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