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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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III. Ausformungen kirchlicher memoria
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Menze, Volker: Johannes Malalas, die Rezeption des Konzils von Chalkedon und die christlichen milieux de mémorie im 6. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0135
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Volker Menze

tigte die fides Nicaena, aber konnte in den Augen der antiochenischen Fraktion nicht
den exegetischen Entwicklungen seit 325 gerecht werden. Das Konzil von Chalkedon
zwanzig Jahre später (451) war deutlich forscher, indem es eine neue Glaubensformel
beschloss, die allerdings in Ägypten und in Teilen Palästinas und Syriens auf resoluten
Widerstand stieß.
Die kontroversen kirchlichen Entwicklungen zwischen den Gegnern und An-
hängern des Konzils von Chalkedon beschäftigten die Innenpolitik des oströmischen
Reiches während des gesamten 6. Jahrhunderts. Fraglos haben zeitweise der Nika-
Aufstand (532) oder die Pest (ab 540/541) die religiösen Auseinandersetzungen der
beiden größten christlichen Gruppen überlagert, aber auf Dauer beanspruchte kein
innenpolitisches Thema mehr kaiserliche Aufmerksamkeit als die Nachwirkungen des
umstrittenen Konzils von 451.
Vor 20 Jahren hat Roger Scott „the importance of Christianity, the church and the
pious emperor in everday society“ in Malalas herausgearbeitet, während er gleichzei-
tig konstatierte, dass Malalas kaum Interesse an den heiß debattierten theologischen
Fragen seiner Zeit zeige.3 Das Konzil selbst findet nur in einem Satz im 14. Buch Er-
wähnung, ohne dass Gründe, Protagonisten oder Ergebnisse genannt werden. Malalas
stellt lediglich die falsche Behauptung auf, dass sich hier 630 Bischöfe versammelt
hätten. Michael Gaddis und Richard Price haben errechnet, dass etwa 370 Bischöfe
am Konzil teilgenommen haben dürften, aber diese Zahl wurde schon in den ersten
Jahren nach dem Konzil von Papst und Kaiser auf 500+ Bischöfe aufgebläht.4 Timo-
theos Ailouros, ein erklärter Gegner des Konzils und Patriarch von Alexandria (457-
460 und 475-477) berichtet, dass die Anzahl der am Konzil teilnehmenden Bischöfe
offiziell mit 630 angegeben wurde, um zu zeigen, dass sich in Chalkedon doppelt so
viele Bischöfe wie am Konzil von Nizäa 325 versammelt hätten.5 Johannes Malalas
übernimmt diese offizielle chalkedonische Sichtweise konsequent, denn auch für das
erste Regierungsjahr Kaiser Justins (519) hält er fest:
Τω δέ πρώτω έτει τής βασΑείας αύτού έφυγεν Σέβηρος ό πατριάρχης
Αντιόχειας εις Αίγυπτον, φοβηθείς Βιταλιανόν καί έγένετο άντ' αύτοΰ
Παύλος πατριάρχης εν τή Αντιόχεια ό άπό ξενοδόχων Κωνσταντινου-
πόλεως των Εύβούλου. όστις τούς τής συνόδου Χαλκηδόνος έξακοσίους
τριάκοντα επισκόπους ένέταξε τοΐς διπτύχοις των εκκλησιών έκάστης
πόλεως· καί διά τούτο έγένετο σχίσμα μέγα, καί ούκ έκοινώνουν αύτω
πολλοί, λέγοντες, ότι οί τής συνόδου άκολουθούντες τά Νεστορίου
φρονούσιν.
Im ersten Jahr aber seiner Kaiserherrschaft floh der Patriarch von Antiocheia Seve-
ros nach Ägypten; er hatte vor Vitalianos Angst. Und an seiner Stelle wurde Paulos
Patriarch von Antiocheia, der exxenodochos des Hospitium im Eubulos-Viertel von

3 Scott (1996), S. 24-28; siehe auch Croke (1990), S. 11-17; Jeffreys (2003), S. 506-507.

4 Zu den Zahlen der Bischöfe, die am Konzil teilnahmen, siehe Price/Gaddis (2005), Bd. 3, S. 193-196.
Papst Leo spricht von fast 600 Bischöfen im Januar 452 in ep. 102, (ACO II 4, S. 53-55).

5 Textes Monophysites, ed. Nau, S. 205. Am Konzil von Nizäa nahmen nach spätantiker Vorstellung 318
Bischöfe teil - eine Zahl, die kanonisch wurde.
 
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