Memoria und Gesetzgebung: Vergangenheit und Gegenwart in den Justinianischen Novellen 245
Wir sind der Überzeugung, dass die alten Römer aus einem so kleinen und ge-
ringen Anfang niemals ein so großes Reich begründen, und von dort ausgehend
sozusagen die ganze Welt erobern und unterwerfen hätten können, wenn sie nicht
dadurch, dass sie Beamte von einem höheren Ansehen in die Provinzen sandten,
sich mit einem größeren Glanze umgeben hätten, und wenn sie nicht letzteren
sowohl die militärische als auch die Zivilgewalt übertragen und diese für beide
Aufgaben nützlich und vertrauenswürdig gemacht hätten.11
In einer vorbildlichen Analyse hat Marion Kruse gezeigt, dass diese Darstellung
der Entstehung der römischen Macht einerseits dem von Polybios verbreiteten Ge-
schichtsbild entspricht und andererseits im 6. Jh. durch Prokop und Jordanes in Frage
gestellt wurde, wahrscheinlich in Reaktion auf die kaiserliche Propaganda.12
Die antiken Amtstitel verleihen den Beamten Würde, semnotês, genauso wie der
Name Cäsar Justinian Würde verleiht. Das Thema kehrt ständig in allen Provinzge-
setzen wieder. Dies bezeugt noch einmal die Einführung der Nov. 103, die die gesamte
Reform wie folgt zusammenfasst:
Ήδη μέν καί άλλας εθνών ήγεμονίας μείζους κατεστήσαμεν χθαμαλός
τε πρότερον ούσας καί πράττειν ούδ' ότιούν των έρρωμενεστέρων
δυναμένας, καί τούτο μέν spectabilias κατεστήσαμεν, τούτο δέ αύταΐς
ηύξήσαμεν τάς σιτήσεις παρέδροις τε καί τάξει, καί τά άλλα πάντα
έφιλοτιμησάμεθα έφέσεών τε άκούειν δεδώκαμεν καί τάς μέν ταΐς
των άνθυπάτων έπεκοσμήσαμεν τιμαΐς τάς δέ των καλουμένων
κομητών καί έτέρας πραιτόρων καί μοδερατώρων άλλας. καί άεί τι
προσεξευρίσκοντες λαμπρόν τή καθ' ήμάς πολιτεία νέον δεδώκαμεν
άνθος.
Wir haben bereits manchen Provinzstatthalterschaften, welche früher niedrig wa-
ren und nichts Kräftiges auszuführen vermochten, eine höhere Stellung gegeben,
und teils die Inhaber derselben unter die Spectabiles versetzt, teils das Gehalt der-
selben, der Beisitzer und des Dienstpersonals erhöht, und ihnen vieles verliehen,
und besonders gestattet, Appellationen anzunehmen. Und einige haben Wir mit
den Ehrenzeichen der Prokonsuln, andere mit denen der sogenannten comités,
noch andere mit denen der Prätoren, und wieder andere mit denen der Modera-
toren geschmückt, und indem Wir stets etwas Glänzendes erfanden, haben Wir
unserem Staat eine neue Zierde gegeben.13
Die neu eingeführten Titel werden systematisch erklärt, unter anderem durch die Ety-
mologie. Aber der Hauptgrund ihrer Verwendung scheint der Glanz zu sein, den sie
ihren Trägern und dem Reich verleihen. So weiter in der Nov. 24:
Ταύτα έννοούντες ήμεϊς, καί τήν παλαιότητα πάλιν μετά μείζονος
άνθους εις τήν πολιτείαν έπαναγαγόντες καί τό Ρωμαίων σεμνύναντες
όνομα ...
ιι Nov. 24 pr. (S. 189,7-1:5 Schöll/Kroll), Übersetzung Freiesleben mit Modifikationen.
12 Kruse (2015) für Prokop und Jordanes und Kruse (2018) weiter für Prokop.
13 Nov. 103 (S. 496,6-16 SchöU/Kroll), Übersetzung nach Schneider.
Wir sind der Überzeugung, dass die alten Römer aus einem so kleinen und ge-
ringen Anfang niemals ein so großes Reich begründen, und von dort ausgehend
sozusagen die ganze Welt erobern und unterwerfen hätten können, wenn sie nicht
dadurch, dass sie Beamte von einem höheren Ansehen in die Provinzen sandten,
sich mit einem größeren Glanze umgeben hätten, und wenn sie nicht letzteren
sowohl die militärische als auch die Zivilgewalt übertragen und diese für beide
Aufgaben nützlich und vertrauenswürdig gemacht hätten.11
In einer vorbildlichen Analyse hat Marion Kruse gezeigt, dass diese Darstellung
der Entstehung der römischen Macht einerseits dem von Polybios verbreiteten Ge-
schichtsbild entspricht und andererseits im 6. Jh. durch Prokop und Jordanes in Frage
gestellt wurde, wahrscheinlich in Reaktion auf die kaiserliche Propaganda.12
Die antiken Amtstitel verleihen den Beamten Würde, semnotês, genauso wie der
Name Cäsar Justinian Würde verleiht. Das Thema kehrt ständig in allen Provinzge-
setzen wieder. Dies bezeugt noch einmal die Einführung der Nov. 103, die die gesamte
Reform wie folgt zusammenfasst:
Ήδη μέν καί άλλας εθνών ήγεμονίας μείζους κατεστήσαμεν χθαμαλός
τε πρότερον ούσας καί πράττειν ούδ' ότιούν των έρρωμενεστέρων
δυναμένας, καί τούτο μέν spectabilias κατεστήσαμεν, τούτο δέ αύταΐς
ηύξήσαμεν τάς σιτήσεις παρέδροις τε καί τάξει, καί τά άλλα πάντα
έφιλοτιμησάμεθα έφέσεών τε άκούειν δεδώκαμεν καί τάς μέν ταΐς
των άνθυπάτων έπεκοσμήσαμεν τιμαΐς τάς δέ των καλουμένων
κομητών καί έτέρας πραιτόρων καί μοδερατώρων άλλας. καί άεί τι
προσεξευρίσκοντες λαμπρόν τή καθ' ήμάς πολιτεία νέον δεδώκαμεν
άνθος.
Wir haben bereits manchen Provinzstatthalterschaften, welche früher niedrig wa-
ren und nichts Kräftiges auszuführen vermochten, eine höhere Stellung gegeben,
und teils die Inhaber derselben unter die Spectabiles versetzt, teils das Gehalt der-
selben, der Beisitzer und des Dienstpersonals erhöht, und ihnen vieles verliehen,
und besonders gestattet, Appellationen anzunehmen. Und einige haben Wir mit
den Ehrenzeichen der Prokonsuln, andere mit denen der sogenannten comités,
noch andere mit denen der Prätoren, und wieder andere mit denen der Modera-
toren geschmückt, und indem Wir stets etwas Glänzendes erfanden, haben Wir
unserem Staat eine neue Zierde gegeben.13
Die neu eingeführten Titel werden systematisch erklärt, unter anderem durch die Ety-
mologie. Aber der Hauptgrund ihrer Verwendung scheint der Glanz zu sein, den sie
ihren Trägern und dem Reich verleihen. So weiter in der Nov. 24:
Ταύτα έννοούντες ήμεϊς, καί τήν παλαιότητα πάλιν μετά μείζονος
άνθους εις τήν πολιτείαν έπαναγαγόντες καί τό Ρωμαίων σεμνύναντες
όνομα ...
ιι Nov. 24 pr. (S. 189,7-1:5 Schöll/Kroll), Übersetzung Freiesleben mit Modifikationen.
12 Kruse (2015) für Prokop und Jordanes und Kruse (2018) weiter für Prokop.
13 Nov. 103 (S. 496,6-16 SchöU/Kroll), Übersetzung nach Schneider.