Metadaten

Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
VI. Die Chronik als Memorialgattung
DOI Kapitel:
Scardino, Carlo: Historische und Theologische Diskurse in den Lateinischen Chroniken des 5. und 6. Jh. n. Chr.
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0263
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
202

Carlo Scardino

Eusebius von Cäsarea begonnenen und von Hieronymus übersetzten und bis ins Jahr
378 n.Chr. fortgeführten Weltchronik. Zu den wichtigsten Autoren, die größtenteils
Gegenstand des in Düsseldorf angesiedelten Projekts ,Kleine und fragmentarische
Historiker der Spätantike‘ (KFHist) sind, gehören Prosper Tiro (*G 5 = Chronica mi-
nora I 460-85)3, die Gallische Chronik von 442 (*G 7 = Chronica minora I 646-62), die
Gallische Chronik von 51 1 (*G 8 = Chronica minora I 663-66), Hydatius (G 9 = Chronica
minora II 13-36), Marcellinus Comes (G 14 = Chronica minora II 60-108), Cassiodor
(G 16 = Chronica minora II 157-61), Marius Aventicensis (G 19 = Chronica minora II
232-39), Victor von Tunnuna (G 20 = Chronica minora II184-206), Johannes von Bic-
larum (G 21 = Chronica minora II 211-20) und Isidor von Sevilla {Chronica minora II
424-481). Diese Autoren schließen sich direkt an Hieronymus (Prosper, die Gallische
Chronik von 4p, Hydatius, Marcellinus Comes) bzw. an dessen Fortsetzer (Victor
von Tunnuna, Johannes von Biclarum, Marius Aventicensis) an, während die Gallische
Chronik von yi, Cassiodors und Isidors Chroniken als einheitliche Werke konzipiert
sind, in denen die exzerpierten Vorgänger nicht explizit genannt werden und die ohne
Uberleitungsformeln auskommen.
Die Chroniken unterscheiden sich gemäß weit verbreiteter Auffassung struktu-
rell von den narrativen Geschichtswerken dadurch, „dass sie die historische Darstel-
lung der Zeitmessung unterordnen. Diese Präsentation der Geschehnisse ist nicht
die für eine historische Darstellung adäquate. Zusammenhängende Ereignisse wer-
den auseinandergerissen, und eine kritische Reflexion ist in dieser Struktur kaum
unterzubringen.“4 Dennoch haben auch Chroniken, welche Ereignisse in einer zeit-
lichen Sequenz wiedergeben, wie die narrative Geschichtsschreibung notwendiger-
weise eine Plot-Struktur und weisen daher wie jede andere Erzählung eine ideolo-
gische Tendenz auf, sind also, wie White gezeigt hat, ebenso wenig wie die narrative
Geschichtsschreibung eines Herodot oder Livius in dem Sinne objektiv, dass sie le-
diglich ,nackte4 Fakten wiedergeben.5
Mischung von historia und annales, während er 5,28 bei der Behandlung der christlichen Literatur
nochmals spezifisch eine Definition der Chronik als temporum series („Abfolge von Ereignissen“) gibt,
die derjenigen Cassiodors ähnlich ist. Zur Terminologie vgl. auch Burgess/Kulikowski (2013b).
3 In Klammern werden jeweils die Siglen der Bände in der Reihe KFHist sowie die entsprechenden
Seiten in den drei von Theodor Mommsen 1892-98 herausgegebenen Bänden zu den Chronica minora
in der Reihe Monumenta Germaniae Historica (MGH, Bände 9,11 und 13) angegeben, wobei die mit
Asteriskus versehenen Bände in der Reihe KFHist bereits erschienen sind.
4 Cardelle de Hartmann (2000), S. 109. Ähnlich Burgess/Kulikowski (2013a), S. 33: „Chronicles have no
obvious internal narrative thread, as do narrative histories. They are not required to instruct their readers
in the specific value of the events they record. They do, however possess an overall or ,macro-narrative'
which is implicit in the totality of chronology, events, and individuals accumulated in a text.“ Ebenso
White (1980), S. ii anhand einiger Einträge der mittelalterlichen^»»«/« Sangallenses maiores'. Diese sind
„a list of events that occurred in Gaul during the eighth, ninth, and tenth centuries of our era. Although
this text is referential' and contains a representation of temporality, it possesses none of the attributes
that we normally think of as a story: no central subject, no well-marked beginning, middle, and end, no
peripeteia, and no identifiable narrative voice. In what are, for us, the theoretically most interesting seg-
ments of the text, there is no suggestion of any necessary connection between one event and another.“
5 White (1980), S. 13: „Nonetheless, there must be a story since there is surely a plot - if by ,plot' we mean
a structure of relationships by which the events contained in the account are endowed with a meaning
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften