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Schmidt, Jochen; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,1): Kommentar zu Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70910#0319
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298 Die Geburt der Tragödie

de copiste sont deux idees incompatibles“, hatte Perrault statuiert, und
zugleich schrieb er den „grands originaux“ ein „genie inimitable“ zu (die vier-
bändige Parallele des Anciens et des Modernes kam 1688, 1690, 1692 und 1697
heraus, vgl. dort Bd. 1, S. 26 und S. 88). Historisch näher und aus der deut-
schen Tradition vertrauter war für N. der Gegensatz von Nachahmung und
Genie oder „Original“ in der Literatur des Sturm und Drang, insbesondere
durch Herder, dessen Schriften auch sonst deutliche Spuren bei ihm hinterlie-
ßen.
97, 23-25 obschon sie nur einen ephemeren historischen Glanz, nur lächerlich
engbegrenzte Institutionen [...] aufzuweisen haben] Der historische Glanz
beschränkt sich auf die kurze Zeit der sogenannten ,Pentekontaetie‘, d. h. die
,Periode von fünfzig Jahren4, die man ungefähr in der Zeit zwischen den sieg-
reich beendeten Perserkriegen und dem für Athen desaströsen Peloponnesi-
schen Krieg ansetzt. Ihr Höhepunkt ist die perikleische Zeit. Die Institutionen
waren schon deshalb „engbegrenzt“, weil ihre Geltung nur selten über den
Bereich der verschiedenen Stadtstaaten hinausreichte, in die Griechenland zer-
splittert war. Gesamtgriechisch waren lediglich die nicht-staatlichen Institutio-
nen wie die Olympischen Spiele und das delphische Orakel sowie manche
andere Kultstätten und Feste.
97, 28 f. den Schierlingsbecher] Anspielung auf den am Ende von Platons Phai-
don dargestellten Tod des Sokrates, der aus einem Becher das tödliche Schier-
lingsgift trinken mußte.
98, If. dass die Griechen unsere und jegliche Cultur als Wagenlenker in den
Händen haben] Anspielung auf Platons Phaidros (246a-b), wo die Seele mit
dem Wagenlenker eines geflügelten Pferdegespanns verglichen wird.
98, 5 f. mit dem Sprunge des Achilles] Achill, der Held der Ilias, ist von alles
überragender Körperkraft und mit entsprechender Sprungfähigkeit begabt. Im
Kampf mit dem Flußgott Skamandros, der für die Trojaner Partei ergreift, rettet
sich der „schnellfüßige Achilleus“ vor der bedrohlichen Wasserflut mit gewalti-
gen Sprüngen: „Doch sprang er empor mit den Knien / Gegen die Flut gradaus,
der Stürmende, welchen umsonst nun / Hemmte der breite Strom, denn mit
Kraft erfüllt’ ihn Athene“ (Ilias, 21. Gesang, V. 303-305. Übersetzung von
Johann Heinrich Voß).
98, 7-10 Um die Würde einer solchen Führerstellung auch für Sokrates zu
erweisen, genügt es in ihm den Typus einer vor ihm unerhörten Daseinsform zu
erkennen, den Typus des theoretischen Menschen] Wie auch sonst ver-
folgt N. die Strategie, eine bestimmte Figur zu paradigmatisieren - hier den
Sokrates als „Typus des theoretischen Menschen“. Zu seiner Vorlesung Die
 
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