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Schmidt, Jochen; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,1): Kommentar zu Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70910#0339
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318 Die Geburt der Tragödie

ner persönlichen Bibliothek: August von Kotzebue: Die Zerstreuten. Eine Posse
in 1 Aufzuge. Das Landhaus an der Heerstraße. Ein Fastnachtsspiel in 1 Aufzuge.
Leipzig 1867-1870; A. v. K.: Pagenstreiche. Eine Posse in 5 Aufzügen. Leipzig
1871-1876. (Zu N.s Einschätzung Kotzebues, die seine genauere Kenntnis verrät,
vgl. Menschliches, Allzumenschliches II: Vermischte Meinungen und Sprüche,
Nr. 170, KSA 2, 448).
In einem Brief an Erwin Rohde vom 9. Dezember 1868 berichtet N., der zu
dieser Zeit noch in Leipzig studierte und gerade erstmals mit Wagner persön-
lich in Verbindung gekommen war, von den enormen Aktivitäten Heinrich Lau-
bes (1806-1884), der sein Amt als Leiter des Leipziger Stadt-Theaters soeben
übernommen hatte (1849-67 war er Direktor des Wiener Burgtheaters gewesen,
wenige Jahre später, ab 1871, leitete er das von ihm gegründete Wiener Stadt-
Theater): „Seine Thätigkeit ist schon jetzt eine ganz ungewöhnliche, jede Zei-
tung berichtet von neuen Engagements [...] zugleich wird das alte Theater zuge-
richtet zu Lustspiel und Posse“ (KSB 2, Nr. 604, S. 351, Z. 95 f.). Damit erschien
Laube, eine im zeitgenössischen Theaterwesen führende, auch publizistisch
ungemein aktive Persönlichkeit, in der bald darauf konzipierten Tragödien-
schrift als Antipode des auf Kunst-„Weihe“ angelegten Bayreuther Theater-
Unternehmens, obwohl Wagner in seiner früheren, von liberalem und revolu-
tionärem Engagement erfüllten Zeit sogar mit ihm befreundet war. Schon in
dem Brief, den N.s Freund Heinrich Romundt am 4. Mai 1869 an N. schrieb,
kommt die nunmehr antagonistische Konstellation zum Ausdruck (KGB II 2,
Nr. 3, S. 8, 32-39): „Es tönt wie eine schöne halbverklungene Sage von vergan-
genem und wiedererstandenem Pessimismus, vom Drama der Zukunft, in dem
Sophocles wiedergeboren wird und Laube aus dem Tempel treibt unter unserm
begeisterten Zuruf, von der Musik als dem Schlüssel aller Kunstphilosophie,
von Richard Wagner und Arthur Schopenhauer und von unzähligem Anderem
zu mir herüber“.
Das Ballett (N. wählt wie Wagner, Beethoven, GSD IX, 81, noch die alte
Wortform: Ballet) diente in älterer Zeit lediglich als tänzerisches Zwischenspiel
in Komödien, Opern und Operetten. Erst im 19. Jahrhundert entwickelte es sich
zu einer eigenständigen Kunstform. N. schließt mit seinen Ausführungen an
Wagners Schrift Beethoven an, in der dieser die zunehmende Oberflächlichkeit
des europäischen Musiktheaters im 19. Jahrhundert kritisiert: „Denn zu dieser
Musik will man nun auch etwas sehen, und dieses Zusehende wird dabei zur
Hauptsache, wie dieß die ,Oper‘ recht deutlich zeigt, wo das Spektakel, das
Ballet usw. [...] ersichtlich genug die Entartung der hierfür verwendeten Musik
herausstellt“ (Richard Wagner, GSD IX, 81). Konziliant äußerte sich Wagner
über das „Ballet“ hingegen in seiner Schrift Das Wiener Hof-Operntheater (GSD
VII, 291-293).
 
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