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Schmidt, Jochen; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,1): Kommentar zu Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70910#0373
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352 Die Geburt der Tragödie

127, 5 f. Es ist nicht möglich, dass die göttliche Kraft des Herakles ewig im
üppigen Frohndienste der Omphale erschlafft.] Eine gleichnishafte Assoziation.
Dem Herakles-Mythos zufolge mußte dieser stärkste der antiken Helden eine
Zeitlang Frondienste bei der lydischen Königin Omphale verrichten (Lydien war
eine Landschaft an der kleinasiatischen Westküste). Schon in der Antike wurde
diese Dienstbarkeit auch erotisch gedeutet. Daher N.s Rede vom „üppigen“
Dienst des Herakles bei Omphale.
127, 6-17 Aus dem dionysischen Grunde des deutschen Geistes ist eine Macht
emporgestiegen [...] die deutsche Musik [...] Was vermag die erkenntnisslüs-
terne Sokratik unserer Tage günstigsten Falls mit diesem aus unerschöpflichen
Tiefen emporsteigenden Dämon zu beginnen?] „Grund“, „Macht“, „deutsch“,
„Geist“, „Tiefen“, „Dämon“: Da N. nur wenige Zeilen später aus dem Faust I
zitiert, sei hier an die Worte erinnert, mit denen Mephisto einen angehenden
Studenten unterweist (V. 1948-1953):
Nachher, vor allen andern Sachen,
Müßt ihr Euch an die Metaphysik machen!
Da seht, daß Ihr tiefsinnig faßt,
Was in des Menschen Hirn nicht paßt;
Für was dreingeht und nicht dreingeht,
Ein prächtig Wort zu Diensten steht.
127,18 f. mit Hülfe des arithmetischen Rechenbretts der Fuge] Diese Wendung
trifft auch Johann Sebastian Bachs Musik, insbesondere Die Kunst der Fuge.
127, 20-22 die Formel [...] in deren dreimal gewaltigem Licht man jenen Dämon
sich unterwürfig zu machen und zum Reden zu zwingen vermöchte.] Anspielung
auf Fausts Osterspaziergang (Szene Vor dem Torf wo er den mitgebrachten
Pudel, in dem sich Mephisto verbirgt, durch Androhung der stärksten magi-
schen „Formel“ zum „Reden“ zwingt. Die letzte der verschiedenen magischen
Formeln, die den Widerstand des „Dämons“ bricht, lautet (V. 1318-1321):
Erwarte nicht
Das dreimal glühende Licht!
Erwarte nicht
Die stärkste von meinen Künsten!
N. verwendet den Ausdruck „zum Reden zu zwingen“ im prägnanten und
zugleich negativen Sinn, denn in den vorausgehenden Partien dieses Kapitels
versucht er das „Wort“ und das Reden am Beispiel der Oper, ganz Schopen-
hauers fundamentaler Kritik der Oper entsprechend (vgl. den Überblickskom-
 
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