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Schmidt, Jochen; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,1): Kommentar zu Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70910#0376
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Stellenkommentar GT 19, KSA 1, S. 127-128 355

den Antiwagnerianern gehörte, die in der Kunst Wagners einen Verfall der
Musik sahen. Jahn hatte Wagners Opern Tannhäuser und Lohengrin vernich-
tend rezensiert. Am 8. Oktober 1868 schrieb N. an Erwin Rohde (KSB 2, Nr. 591,
5. 322, Z. 34-53): „Kürzlich las ich auch (und zwar primum) die Jahnschen
Aufsätze über Musik, auch die über Wagner. Es gehört etwas Enthusiasmus
dazu, um einem solchen Menschen gerecht zu werden: während Jahn einen
instinktiven Widerwillen hat und nur mit halbverklebten Ohren hört. Ich gebe
ihm trotzdem vielfach Recht, insbesondre darin, daß er Wagner für den Reprä-
sentanten eines modernen, alle Kunstinteressen in sich aufsaugenden und ver-
dauenden Dilettantismus hält: aber gerade von diesem Standpunkte aus kann
man nicht genug staunen, wie bedeutend jede einzelne Kunstanlage in diesem
Menschen ist, welche unverwüstliche Energie hier mit vielseitigen künstleri-
schen Talenten gepaart ist: während die ,Bildung4, je bunter und umfassender
sie zu sein pflegt, gewöhnlich mit mattem Blicke, schwachen Beinen und ent-
nervten Lenden auftritt.
Außerdem aber hat Wagner eine Gefühlssphaere, die 0. Jahn ganz verbor-
gen bleibt: Jahn bleibt eben ein Grenzbotenheld, ein Gesunder, dem Tannhäu-
sersage und Lohengrinathmosphaere eine verschlossene Welt sind. Mir behagt
an Wagner, was mir an Schopenhauer behagt, die ethische Luft, der faustische
Duft, Kreuz, Tod und Gruft etc.44. Die Grenzboten (1841-1922) waren das füh-
rende nationalliberale Blatt. Die langjährigen Herausgeber Julian Schmidt und
Gustav Freytag entwickelten darin die Theorie des Realismus, gegen den sich
N. in GT wendet. Die liberale Presse, gegen die N. immer wieder wie gegen den
Liberalismus überhaupt polemisiert, sollte das Publikum für politische Freiheit
und nationale Einheit gewinnen. Zu Otto Jahn vgl. Carl Werner Müller: Otto
Jahn, Stuttgart und Leipzig 1991.
128, 2-5 der einzig reine, lautere und läuternde Feuergeist, von dem aus und
zu dem hin, wie in der Lehre des grossen Heraklit von Ephesus, sich alle Dinge
in doppelter Kreisbahn bewegen] Heraklit, der jonische Naturphilosoph des
6. Jahrhunderts v. Chr., den N. in seiner Abhandlung Die Philosophie im tragi-
schen Zeitalter der Griechen am meisten würdigt und auf den er sich auch sonst
in GT beruft (vgl. NK 39, 19-21; 78, 23-25; 153, 11-17), sieht im Feuer ein ewiges
Urprinzip, das in rhythmischem Wechsel aufflammt und erlischt und damit
das Werden und Vergehen des Kosmos bestimmt. Das Frg. 30 (Diels/Kranz)
lautet: „Diese Weltordnung, dieselbige für alle, schuf weder einer der Götter
noch der Menschen, sondern sie war immer und ist und wird sein ewig leben-
diges Feuer, sich in bestimmtem (Zeit-)Maß entzündend und nach bestimmtem
(Zeit-)Maß erlöschend“ - KÖopov tövöe, tov otvTÖv änävTtüv, oute tu; Oecüv
oute ävOpcüncüv Enoipasv, äAA’ pv äsi Kai ecttiv Kai soTai nüp äsi^coov, änTÖps-
vov psTpa Kai änoaßsvvvpsvov psTpa. N.s Formulierung „von dem [dem Feuer]
 
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