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Schmidt, Jochen; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,1): Kommentar zu Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70910#0391
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370 Die Geburt der Tragödie

Der bedeutende Kritiker Hermann Marggraff hatte schon 1853 das Junge
Deutschland gerade im Hinblick auf die von N. angegriffenen journalistischen
Aktivitäten charakterisiert und dabei, wie dann noch N., einerseits den Kult
der kämpferischen „Tendenz“ (hierzu ausführlich NK 144, 2) und andererseits
die Vorliebe für die „elegante Toilette“ ins Visier genommen. Trotz seiner eher
konservativen Vorbehalte schreibt er über das Junge Deutschland, das auf das
„Forum der Journalliteratur“ gedrängt hatte:
Es ging aber jedenfalls eine frische Bewegung durch die strebende jüngere Schriftsteller-
welt zu der Zeit als das Junge Deutschland sich der Herrschaft über die deutsche Journa-
listik bemächtigte [...] Es war ein Ereigniß in der literarischen Welt, als Laube und dann
Kühne die Redaction der .Zeitung für die elegante Welt“ übernahmen, als erst die im Werk
begriffene Gutzkow-Wienbarg’sche .Deutsche Revue“, sodann in Preußen der Mundt’sche
.Literarische Zodiacus“ (wohl das trefflichste unter den journalistischen Unternehmungen
des Jungen Deutschland, wie denn Mundt überhaupt ein anerkennenswerthes Geschick
darin bewies, schriftstellerische Talente und namentlich jüngere für centralliterarische
Bestrebungen zu gewinnen), endlich sämmtliche erschienene oder noch erscheinen sol-
lende Geisteserzeugnisse dieser Gruppe Schriftsteller, d. h. die Kuh und das Kalb dazu
verboten und unterdrückt wurden! Man erstickte ein Fünkchen im Aschenhaufen, wäh-
rend im Innern der menschlichen Gesellschaft die Kohlenlager schon in einem Brande
standen welcher nur nach einem Ausweg suchte. So viel ist wenigstens gewiß daß das
literarische Junge Deutschland an der pariser Februarrevolution vollkommen unschuldig
war, und daß Ledru-Rollin, Mazzini und Kossuth ihre Revolutionsgrundsätze nicht aus
Wienbarg’s .Aesthetischen Feldzügen“ und Gutzkows .Wally“ schöpften! / Der Leserkreis
des Jungen Deutschland war überhaupt niemals sehr ausgedehnt und erstreckte sich, so
nach oben wie nach unten, sehr wenig über die Grenzen des sogenannten eleganten
Publicums oder des eigentlichen Salonpublicums hinaus. [...] Gerade der Hauptvorzug
dieser literarischen Gruppe: eine elegante und geschmackvolle Behandlung der Tagesfra-
gen, beschränkte ihre Wirksamkeit
(Hermann Marggraff: Die deutsche Journalistik im Zusammenhänge mit der Entwickelung
der deutschen Literatur und Gesammtbildung, in: Blätter für literarische Unterhaltung, Jahr-
gang 1853, Erster Band, Nr. 20, S. 460 f.).
Schon vor der März-Revolution von 1848 waren zahlreiche Meinungsblätter
liberaler, frühsozialistischer und konservativer Provenienz entstanden. Trotz
häufiger Verbote, Beschlagnahmungen und Zensurschikanen gegen nicht-kon-
servative Blätter im Vormärz wuchs jedoch schon seit den frühen Vierzigerjah-
ren die Zahl der Zeitungen unaufhaltsam. Eine informative Übersicht über die
zahlreichen zeitgenössischen Zeitungen und Zeitschriften gibt der auch dia-
gnostisch wertvolle Artikel von Hermann Marggraff, einem Vertrauten Friedrich
Lists, in den Blättern für literarische Unterhaltung, Jahrgang 1853, Erster Band,
S. 457-471. Vgl. hierzu NK 144, 2. Vgl. auch das moderne Standardwerk von
Kurt Koszyk: Deutsche Presse im 19. Jahrhundert = Geschichte der deutschen
Presse, Bd. 2, Berlin 1966.
 
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