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Schmidt, Jochen; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,1): Kommentar zu Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70910#0393
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372 Die Geburt der Tragödie

hier mit deutlicher Anspielung auf Luthers Leitbegriff „sola fide“. „Glaube“
und „Hoffnung“ sind christliche Grundhaltungen. Gezielt setzt er diese Verbin-
dung auch im Schlußabschnitt von GT 24 ein (154, 14 und 154, 21). Im Gefolge
Wagners, insbesondere in Anlehnung an dessen Schrift Beethoven bezieht N.
seine säkularisierte Vorstellung von „Glaube“ und „Hoffnung“ in UB II auf die
deutsche „Innerlichkeit“ und „deutsche Empfindung“ sowie auf eine von ihr
her begründete „nationale Cultur“: „wir sind Alle durch die Historie verdor-
ben - ein Satz, der jede Hoffnung auf eine noch kommende nationale Cultur
an ihren Wurzeln zerstören würde: denn jede derartige Hoffnung wächst aus
dem Glauben an die Aechtheit und Unmittelbarkeit der deutschen Empfindung
heraus, aus dem Glauben an die unversehrte Innerlichkeit; was soll noch
gehofft, noch geglaubt werden, wenn der Quell des Glaubens und Hoffens
getrübt ist“ (KSA 1, 277, 14-21).
131, 18 f. eine Erneuerung und Läuterung des deutschen Geistes durch den
Feuerzauber der Musik.] Wiederaufnahme der Vorstellung vom kathartischen
Feuer, die N. in GT 19 mit Hinweis auf Heraklit entfaltete (128, 2-4). Zum „deut-
schen Geist“ vgl. NK 153, 34.
131, 26 den Ritter mit Tod und Teufel, wie ihn uns Dürer gezeichnet hat] Dürers
Kupferstich, der im Jahr 1513 entstand, gehört zu seinen bekanntesten Werken.
In einem Brief an Malwida von Meysenbug vom März 1875 schreibt N. aus
Basel: „Ein hiesiger Patrizier hat mir ein bedeutendes Geschenk in einem äch-
ten Dürerschen Blatte gemacht; selten habe ich Vergnügen an einer bildneri-
schen Darstellung, aber dies Bild ,Ritter Tod und Teufel4 steht mir nahe, ich
kann kaum sagen, wie. In der Geburt der Tragödie habe ich Schopenhauer mit
diesem Ritter verglichen; und dieses Vergleiches wegen bekam ich das Bild“
(KSB 5, Nr. 436, S. 36, Z. 47-53). N. selbst hatte schon in der Zeit, in der er an
seiner Tragödienschrift arbeitete, dieses Dürer-Blatt als Weihnachtsgeschenk
für Richard Wagner nach Tribschen mitgenommen. Am 23. Dezember 1870
schrieb er an Mutter und Schwester in Naumburg: „Morgen gehts nach Trib-
schen [...] Meine Geschenke sind diese: für Wagner habe ich ein von ihm längst
gewünschtes Lieblingsblatt von Albr. Dürer ,Ritter, Tod und Teufel4 das mir
durch glücklichen Zufall in die Hände gekommen“ (KSB 3, Nr. 115, S. 170, Z. 46-
54). Welche Bedeutung Dürer im biographischen Kontext der Beziehung zwi-
schen Wagner und N. hatte, geht auch daraus hervor, daß Cosima Dürers
Melencolia Wagner zu Weihnachten schenken wollte und N. deshalb seinen
Freund Erwin Rohde um Besorgung dieses Dürer-Stichs bat (Brief vom
11. November 1869). Rohde erwarb im Mai 1870 eine Kopie in Venedig. Vgl.
seinen Brief vom 3. Mai 1870 (KGB II 2, Nr. 97) an N. sowie dessen Antwort
vom 6. Mai 1870 und Cosima Wagners Tagebuch-Eintrag vom 11. Juni 1870:
 
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