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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0078
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52 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

Einfluss auf Strauß hatten seine akademischen Lehrer Friedrich Heinrich Kern
und vor allem Ferdinand Christian Baur, der seine religionsgeschichtlichen For-
schungen auch im Unterricht vermittelte. Während seines Theologiestudiums
am Tübinger Stift wurde Strauß insbesondere mit der Religionsphilosophie
Schellings und der Theologie Schleiermachers vertraut gemacht und beschäf-
tigte sich überdies mit Themen der Romantik, Mystik und Naturphilosophie.
Außerdem lernte er die Philosophie Hegels kennen, die für ihn in der Folgezeit
große Bedeutung erlangte. Gemeinsam mit Freunden las er Hegels Phänomeno-
logie des Geistes. Nach seinem Examen war Strauß zunächst als Vikar tätig,
anschließend als Repetent am Maulbronner Seminar, wo er Latein, Geschichte
und Hebräisch unterrichtete.
Weiterführende Informationen zu Leben und Werk von David Friedrich
Strauß bieten die Theologische Realenzyklopädie [TRE] und Religion in Ge-
schichte und Gegenwart [RGG]. An den einschlägigen Artikeln zu Strauß vor
allem von Thomas K. Kuhn in TRE, daneben auch von Friedrich Wilhelm Graf
in RGG ist das vorliegende Kapitel 1.6 wesentlich orientiert. Vgl. die detaillier-
ten Angaben zu Biographie und Werk von David Friedrich Strauß bei Thomas
K. Kuhn 2001, 241-246. Einen kurzen Handbuch-Artikel bietet Friedrich Wil-
helm Graf 2004, 1774-1775. Vgl. darüber hinaus die umfangreiche Dissertation
von Friedrich Wilhelm Graf über Kritik und Pseudo-Spekulation. David Friedrich
Strauß als Dogmatiker im Kontext der positionellen Theologie seiner Zeit (1982).
Mit einer an Forschungen seines Lehrers Baur ausgerichteten religionsge-
schichtlichen Studie wurde Strauß in absentia promoviert. Bei einem Aufent-
halt in Berlin hatte Strauß die Gelegenheit, Hegel kurz vor dessen Tod 1831
noch selbst an der Universität zu hören. Außerdem machte er dort die Bekannt-
schaft mit Schleiermacher und nahm Kontakt zu Hegel-Schülern auf. Im Jahre
1832 wurde Strauß als Repetent an das Tübinger Stift zurückberufen, wo er
sehr erfolgreich die Philosophie Hegels lehrte, bis ihm bereits im Jahre 1833
das Halten seiner Vorlesungen verboten wurde. In der Folgezeit verfasste
Strauß sein Buch Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet (1835/36), das den religi-
onskritischen Positionen von Hermann Samuel Reimarus nahestand (vgl. dazu
NK 183, 14 - 184, 5 und NK 231, 2-5), nach der Publikation geradezu einen
Skandal auslöste und zur Entlassung des Autors aus dem Kirchendienst führte.
Denn Strauß hielt aufgrund textkritischer Untersuchungen das Leben Jesu in
den Evangelien für historisch nicht gesichert und sah die biblischen Darstel-
lungen letztlich als Resultat von Legendenbildung und Mythenkonstitution an.
Dabei verstand Strauß die neutestamentlichen Mythen als „geschichtsartige
Einkleidungen urchristlicher Ideen“ (Graf 2004, 1042). Nachdem David Fried-
rich Strauß seine Stelle am Tübinger Stift infolge der heftigen Kontroversen
und Debatten über Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet verloren hatte, übte er
 
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