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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0147
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Stellenkommentar UB I DS 4, KSA 1, S. 178-179 121

UBI DS noch an zwei späteren Stellen. So betrachtet er die Suggestion von
Gemeinschaftlichkeit als partielle Ursache für den Erfolg von ANG, indem er
erklärt, jeder könne meinen, „gerade er betrachte Welt und Leben so, und gera-
de an ihm habe Strauss schon erfüllt sehen können, was er erst von der Zu-
kunft fordere. Daraus erklärt sich auch zum Theil der ausserordentliche Erfolg
jenes Buches: so, wie im Buche steht, leben wir, so wandeln wir beglückt! ruft
der Gelehrte ihm entgegen und freut sich, dass andere sich daran freuen“ (201,
24-29). Danach findet sich in UB I DS noch die Paraphrase: „Von hier aus aber
wandeln wir, erst recht beglückt, mitten hinein in die volle Gemächlichkeit
unserer Gartenhaus-Bewohner“ (215, 17-19).
178, 27-29 mittelst einer Reihe anziehend und volksthümlich geschriebener Ge-
schichtswerke] Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden historische Bücher
populär, darunter auch Werke von Leopold von Ranke und Theodor Mommsen.
Zu diesen beiden Historikern vgl. NK 174, 16-19. Über die von N. erwähnten
„Geschichtswerke“ hinaus hatten in dieser Epoche auch historische Romane
besonderen Erfolg. - Dass David Friedrich Strauß, aus dessen ANG N. im vor-
liegenden Kontext zitiert, außer wissenschaftlichen Geschichtsbüchern auch
fiktionale Werke mit im Blick hat, zeigt sein Hinweis auf die „Schriften unsrer
grossen Dichter“ (178, 32). Prominente Autoren waren in der damaligen Zeit
vor allem Gustav Freytag mit seinem sechsbändigen Werk Die Ahnen (1872-
1880), das in der Schilderung eines fiktiven Familienschicksals einen histori-
schen Horizont von den Germanen bis in die Gegenwart aufspannt, und Felix
Dahn, der Autor des Bestsellers Ein Kampf um Rom (1876), der sich zwar nicht
strikt an den Fakten der antiken Geschichte orientiert, aber durch zeitge-
schichtliche Bezüge und Germanenmythos die nationalen Interessen der Grün-
derzeit bedient. Diese Werke erschienen in derselben Zeitphase, in der N. seine
Unzeitgemässen Betrachtungen publizierte. In einem nachgelassenen Notat von
1870/71 findet sich ein pauschales Verdikt, das N. dann konkret auf Freytag
bezieht: „Die neuere deutsche Romanschriftstellerei als eine Frucht der Hege-
lei: das Erste ist der Gedanke, der nun künstlich exemplificirt wird. So der Stil
bei Freytag: ein allgemeiner blasser Begriff, durch ein paar realistische Wört-
chen aufgestutzt“ (NL 1870-1871, 7 [114], KSA 7, 164).
179,19-20 Scaliger pflegte zu sagen: „was geht es uns an, ob Montaigne rothen
oder weissen Wein getrunken hat!“] N. besaß mehrere Montaigne-Ausgaben.
Vgl. Michel de Montaigne: Essais, 1864 (NPB 393) und die deutsche Überset-
zung: Michel de Montaigne [Auf dem Titelblatt: Michaels Herrn von Montagne
(sic)]: Versuche, nebst des Verfassers Leben, 3 Theile, 1753-1754 (NPB 393-394).
Vgl. hier: Dritter und letzter Theil, 1754, XXXVIII: „Es ist Schade, daß er eine
so wenige Hochachtung für seine Leser hat, und sie mit kindischen und vielen
 
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