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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0152
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126 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

181, 25-26 dass Schiller aus Kant wie aus einer Kaltwasseranstalt herausgetre-
ten sei] Hier paraphrasiert N. eine auf Schillers Auseinandersetzung mit Kant
bezogene metaphorische Aussage aus Strauß’ ANG 325, 9-17: „Wir verdanken
dieser Beschäftigung einige der werthvollsten unter seinen prosaischen Schrif-
ten; auch seiner Dichtung hat er dabei die ursprüngliche Wildheit und Gewalt-
samkeit, doch zugleich auch etwas von ihrer Frische und Natürlichkeit abge-
than, und hätte er nicht das Glück gehabt, eben beim Heraustreten aus jener
Kaltwasseranstalt mit Goethe zusammenzutreffen, der ihn mit einemmale wie-
der auf den Boden der Poesie, und zwar der echtesten, versetzte, so möchte
ihm die Cur nicht zum besten bekommen sein“ (ANG 325, 9-17). Vgl. dazu auch
Exzerpte aus ANG (KGWIII5/1), S. 355. - An späterer Stelle kommt N. in
UB I DS nochmals auf den von ihm hervorgehobenen trivialisierenden Ver-
gleich aus Strauß’ ANG zurück; dort komprimiert er ihn zu einer Metapher,
indem er „Kant als Kaltwasseranstalt“ bezeichnet (224, 6-7) und dadurch sogar
größere Nähe zur Formulierung von Strauß (ANG 325, 9-17) herstellt. - Gegen
diese und einige weitere Banalisierungen Kants in Strauß’ ANG, die teilweise
auf Missverständnissen der Kantischen Philosophie beruhen, wendet sich N.
in UB I DS mit kritischem Nachdruck. Anstoß nimmt er dabei sowohl an naiver
Kant-Affirmation als auch an einem jovial-anmaßenden Gestus scheinbarer
Überlegenheit oder ironischer Relativierung in Strauß’ ANG, der sich beispiels-
weise im obigen Lemma abzeichnet. - Zu N.s Kritik an den problematischen
Perspektiven auf die Kantische Philosophie, die Strauß in ANG exponiert, vgl.
vor allem die ausführlichen Darlegungen in NK 191, 3-8 sowie in NK 191, 8-11
und NK 191, 25 - 192, 3.
181, 29-31 Auf was für Gedanken kommen doch die Seligen neuen Stils in ihrem
ästhetischen Himmelreich.] Mit dieser ironischen Bibel-Anspielung bezieht sich
N. auf die Seligpreisung in der Bergpredigt: „Selig die Armen im Geiste, denn
ihrer ist das Himmelreich“ (Matthäus 5, 3).
182, 2 Minimität des Gervinus] Indem N. dem Literaturhistoriker Georg Gott-
fried Gervinus hier eine bis zur Bedeutungslosigkeit reichende Kleinheit attes-
tiert, setzt er seine Polemik gegen ihn fort. Zu Gervinus und zu N.s Kritik an
ihm vgl. NK 181, 11-12.
182, 4-7 wenn dieser unbezweifelte Kunstrichter seinen angelernten Enthusias-
mus und seinen Miethpfer de-Galopp, von dem mit geziemender Deutlichkeit der
ehrliche Grillparzer geredet hat, nun auch wieder weiter lehrt] Hier greift N. mit
einer Paraphrase auf eine metaphorische Formulierung Grillparzers zurück
und verwendet sie für seine eigene Polemik gegen Gervinus, dessen „unbe-
scheidene Minimität“ er mit der „bescheidene[n] Grösse eines Strauss“ kontras-
tiert (182, 1-2). Franz Grillparzer erklärt in seiner Studie Zur Literargeschichte:
 
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