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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0159
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Stellenkommentar UB I DS 5, KSA 1, S. 185 133

Szenerie besteht, zeigen die deutschen Bezeichnungen der fünf Sätze: 1. Erwa-
chen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande, 2. Szene am Bach,
3. Lustiges Zusammensein der Landleute, 4. Gewitter und Sturm, 5. Hirtenge-
sänge - Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm.
David Friedrich Strauß schreibt in ANG (358, 30 - 359,12): „Von der Sym-
phonie wäre eigentlich zu sagen, daß in ihr der Sturm a 1 s Leidenschaft wüthen
müßte, d. h. es hätte unentschieden zu bleiben, ob ein äußerer oder innerer
Sturm gemeint wäre. In der Pastoralsymphonie dagegen hat der Sturm über-
haupt mit der Leidenschaft nichts zu thun, sondern er unterbricht - einen Bau-
erntanz. Das ist für einen so trefflich wüthenden Sturm doch gar zu unbedeu-
tend; wie denn überhaupt durch diese Verhängung der Perspective, dieses
willkürliche Festbinden an dem untergelegten trivialen Anlaß, die Pastoral-
symphonie, bei aller Fülle des Wohllauts, allen Schönheiten im Einzelnen, un-
ter den Beethoven’schen Symphonien (um mich mit gebührender Bescheiden-
heit auszudrücken) die wenigst geistreiche ist.“ - Vgl. auch Exzerpte aus ANG
(KGW III 5/1), S. 355.
185, 31-33 die neunte Symphonie: diese nämlich soll nur bei denen beliebt sein,
welchen „das Barocke als das Geniale, das Formlose als das Erhabene gilt“] Die
Neunte Symphonie in d-Moll (op. 125) ist die letzte von Beethoven vollendete
Symphonie. David Friedrich Strauß äußert sich negativ über dieses berühmte
Werk Beethovens (vgl. dazu ANG 359, 13-15): „Die neunte Symphonie ist billig
der Liebling des Zeitgeschmacks, dem in der Kunst, in der Musik insbesondere,
das Barocke als das Geniale, das Formlose als das Erhabene gilt.“ - Im Kontext
weist N. Strauß’ despektierliche Perspektive auf Beethovens Neunte Symphonie
und andere seiner Werke zurück und imaginiert dann sogar, dass sich Strauß
zu einem Autodafe hätte entschließen können, falls ihm „durch einen Zufall
die Eroica, die Pastorale und die Neunte“ (KSA 1,186, 34) in die Hände geraten
wären, um „durch Beseitigung so problematischer Produkte4 das Bild des
Meisters rein zu halten - wer zweifelt, dass er sie verbrannt hätte?“ (KSA 1,
187, 2-4). - Strauß’ Kritik am „Zeitgeschmack“, an der besonderen Wertschät-
zung für das „Geniale“ und das „Erhabene“ in Beethovens Neunter Symphonie,
richtete sich vor allem gegen Richard Wagner. Denn dieser hatte in seiner 1870
erschienenen Festschrift zu Beethovens 100. Geburtstag gerade die Neunte
Symphonie besonders gerühmt, an ihr wie an Beethovens Kompositionen über-
haupt das „Erhabene“ hervorgehoben und im Hinblick auf die Zukunft erklärt,
er erhoffe von Beethovens Musik Impulse zugunsten einer „neuen, seelenvolle-
ren Zivilisation“ (GSD IX, 123).
N. selbst nimmt schon im „Vorwort an Richard Wagner“ in der Geburt der
Tragödie enthusiastisch auf Wagners „herrliche Festschrift über Beethoven“
Bezug (KSA 1, 23, 19), in der Wagner betont, der „Fortschritt, welchen die Mu-
 
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