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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0185
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Stellenkommentar UB I DS 7, KSA 1, S. 194 159

ben für den neuen Messias, sondern auch für sich, den neuen Apostel“ (212,
7-11).
Der englische Naturforscher Charles Robert Darwin (1809-1882) wurde
durch seine Evolutionstheorie berühmt. Auf der Basis jahrzehntelanger For-
schungen, für die er seine Beobachtungen auf ausgedehnten Expeditionen in
mehrere Kontinente auswertete, publizierte Darwin 1859 sein berühmtes Haupt-
werk On the Origin of Species (Über den Ursprung der Arten). Hier entfaltet er
seine Selektionstheorie, nach der sich das Leben aller Arten in der Naturge-
schichte durch Variation zur Anpassung an die jeweiligen Umweltbedingun-
gen und durch natürliche Auslese (Selektion) entwickelt hat. Mit dieser Theorie
erklärte Darwin die Phylogenese der Lebewesen und ihre Differenzierung in
die unterschiedlichen Arten. Später führte er seine evolutionstheoretischen
Forschungen im Hinblick auf den Menschen fort und veröffentlichte 1871 sein
Werk The Descent ofMan, and Selection in Relation to Sex (Die Abstammung des
Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl). In seiner letzten Lebensphase
konzentrierte sich Darwin im Rahmen seiner Forschungen zur Evolution auf
das Feld der Botanik.
Mit seinen Publikationen löste Darwin kontroverse öffentliche Diskussio-
nen aus, die über die engeren Kreise der zeitgenössischen Wissenschaft weit
hinausreichten. Weil er durch seine Theorien in einen Antagonismus zum bib-
lischen Schöpfungsmythos und damit in ein Konkurrenzverhältnis zur christli-
chen Weltanschauung geriet, entstanden schon bei zeitgenössischen Lesern
oftmals gravierende Missverständnisse. Vielfach ging die bewusste Polemik ge-
gen Darwin mit verzerrenden Trivialisierungen seiner Konzepte einher. Dabei
wurde die komplexe Abstammungslehre, auf die N. hier mit dem simplifizieren-
den Begriff,Affengenealogen4 anspielt, auf die von Darwin selbst nicht vertrete-
ne These reduziert, der Mensch stamme vom Affen ab. Erst im 20. Jahrhundert
setzten sich die Evolutionstheorien Darwins endgültig durch. Sie avancierten
schließlich zur fundamentalen Basis für die moderne Evolutionsbiologie. Die
Vertreter sozialdarwinistischer Ideologien, die biologische Gesetzmäßigkeiten
unkritisch auf menschliche Gesellschaften zu übertragen versuchten und dabei
einen naturalistischen Fehlschluss vollzogen, beriefen sich jedoch zu Unrecht
auf Darwin. Zu N.s Verhältnis zu Darwin vgl. Stegmaier 1987, 264-287 und Som-
mer 2012b, 223-240. Zum Darwinismus-Diskurs im 19. Jahrhundert vgl. die um-
fassende Darstellung von Bayertz/Gerhard/Jaeschke, Bd. 2, 2007.
194, 31 bellum omnium contra omnes] Dieses berühmt gewordene lateinische
Schlagwort mit der Bedeutung ,Krieg aller gegen alle4 stammt von Thomas
Hobbes (1588-1679), der 1642 in seinem Werk De Cive das Konzept eines „bel-
lum omnium in omnes“ entfaltet. Hobbes, der seine Theorie unter dem Einfluss
sophistischer Staatskonzepte und unter Rekurs auf Thukydides entwarf, setzte
 
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