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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0209
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Stellenkommentar UB I DS 8, KSA 1, S. 203 183

sungen Schopenhauers an (vgl. dazu Kapitel III.4 des Überblickskommentars
zu UB IIISE.)
Gemäß Schillers Antrittsvorlesung setzt der „Brotgelehrte“ - anders als
„der philosophische Kopf“ - bloß deshalb „die Kräfte seines Geistes in Bewe-
gung“, weil er dadurch „der Vorteile“ eines Amtes „teilhaftig werden“ will, um
„seinen sinnlichen Zustand zu verbessern und eine kleinliche Ruhmsucht zu
befriedigen“ (vgl. ebd., 412). „Je weniger seine Kenntnisse durch sich selbst ihn
belohnen, desto größere Vergeltung heischt er von außen [...]. Darum hört man
niemand über Undank mehr klagen, als den Brotgelehrten; nicht bei seinen
Gedankenschätzen sucht er seinen Lohn, seinen Lohn erwartet er von fremder
Anerkennung, von Ehrenstellen, von Versorgung“; „er hat umsonst nach
Wahrheit geforscht“, wenn sie sich „für ihn nicht in Gold, in Zeitungslob, in
Fürstengunst verwandelt“ (Schiller: FA, Bd. 6, 413). Und gerade durch diese
Einstellung lässt der „Brotgelehrte“ laut Schiller erkennen, dass er „im Reiche
der vollkommensten Freiheit eine Sklavenseele mit sich herum trägt“ (ebd.,
414). Der „philosophische Geist“ hingegen strebt nach „Vollendung seines Wis-
sens“, ist durch neue „Entdeckungen“ fasziniert und schreitet, von seiner
Wahrheitsliebe angetrieben, „zu höherer Vortrefflichkeit fort“, während „der
Brotgelehrte, in ewigem Geistesstillstand, das unfruchtbare Einerlei seiner
Schulbegriffe hütet“ (ebd., 415). - In ähnlichem Kontext spielt N. auch in
UB III SE auf Schillers Antrittsvorlesung an, wenn er hier ebenfalls den Prag-
matismus der Gelehrten kritisiert: „Der Wahrheit wird gedient, wenn sie im
Stande ist, zu Gehalten und höheren Stellungen direkt zu befördern, oder we-
nigstens die Gunst derer zu gewinnen, welche Brod und Ehren zu verleihen
haben“ (KSA 1, 398, 3-7). - Auf andere Aspekte in Schillers Antrittsrede Was
heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? spielt N. in
UB IV WB an (vgl. KSA 1, 446, 19 - 447, 7). Und in UB II HL zitiert N. sogar
wörtlich aus dieser Vorlesung Schillers (KSA 1, 291, 12-18). Vgl. auch NK 291,
12-18; NK 446, 22; NK 446, 23-25.
Schopenhauer kritisiert in seiner Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie
den Materialismus der akademischen Philosophen, die aufgrund egoistischer
Motive ihre eigentliche Aufgabe vernachlässigen: die kompromisslose „Wahr-
heitsforschung“ (PP I, Hü 149). Die Mentalität der Universitätsphilosophen, de-
ren „eigentlicher Ernst darin liegt, mit Ehren ein redliches Auskommen für sich
[...] zu erwerben“ (PP I, Hü 151), kontrastiert Schopenhauer mit dem „tiefbe-
wegte [n] Gemüth eines wirklichen Philosophen, dessen ganzer und großer
Ernst im Aufsuchen eines Schlüssels zu unserm so räthselhaften wie mißlichen
Daseyn liegt“ (PP I, Hü 151). So grenzt er diejenigen, „die für die Sache leben“,
von denen ab, „die von ihr leben“ (PP I, Hü 160). Und im „Rückblick auf das
ganze Treiben mit der Philosophie auf Universitäten, seit Kants Abgänge,“
 
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