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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0234
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208 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

zu denken; es wäre auch Undank gegen meinen Genius, wollte ich mich nicht
freuen, daß mir neben der Gabe der schonungslos zersetzenden Kritik zugleich
die harmlose Freude am künstlerischen Gestalten verliehen ward: aber mein
eigenthümlicher Beruf liegt auf dem letzten Gebiete nicht, und wenn ich durch
die Rückkehr auf das andere jene Sympathien wieder verscherzt haben sollte,
so müßte ich das auf mich nehmen im Bewußtsein, nur gethan zu haben was
meines Amtes war.“ - Das anschließende Zitat geht diesem direkt voran.
219, 31-33 er habe immer „den Merck in sich getragen, der ihm zurief: solchen
Quark musst du nicht mehr machen, das können die Anderen auch“] Vgl. dazu
das Zitat mit seinem Kontext in Strauß’ ANG, Nachwort als Vorwort, 11-12: „Es
wäre Affectation, wenn ich leugnen wollte, daß mir der Beifall, den meine
Schriften über Ulrich von Hutten und Voltaire in den weitesten Kreisen fanden,
die warme Zustimmung, die meinen Briefen an Ernst Renan aus allen Gauen
des deutschen Vaterlands entgegenkam, innig wohlgethan, daß es mir eine
tiefe Befriedigung gewährt hat, für meine alten Tage noch mit der Mehrheit
meiner Zeit- und Volksgenossen in das harmonische Verhältnis zu kommen,
das am Ende doch das Ziel jedes bessern schriftstellerischen Bemühens ist.
Dennoch - man mag es mir glauben oder nicht, übrigens bezeugt es ja der
Erfolg - trug ich immer den Merck in mir, der mir zurief: ,solchen Quark mußt
du nicht mehr machen, das können die Andern auch/“
Strauß’ Anspielung bezieht sich auf eine mündliche Äußerung, die Goethe
in seiner Autobiographie Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit referiert.
Hier erinnert sich Goethe im 15. Buch daran, wie er den soeben abgeschlosse-
nen Clavigo zunächst in engerem Kreise präsentierte und bei Johann Heinrich
Merck auf negative Resonanz stieß. In den Kontext eingebettet, lautet die be-
treffende Textpartie so: „Die gute Wirkung, die ich beim Vorlesen erreichte,
wird man mir leicht zugestehen. Meine gebietende Gattin erfreute sich nicht
wenig daran, und es war, als wenn unser Verhältnis, wie durch eine geistige
Nachkommenschaft, durch diese Produktion sich enger zusammen zöge und
befestigte. / Mephistopheles Merk aber tat mir zum ersten Mal hier einen gro-
ßen Schaden. Denn als ich ihm das Stück mitteilte, erwiderte er: solch einen
Quark mußt Du mir künftig nicht mehr schreiben; das können die Andern
auch. Und doch hatt’ er hierin Unrecht. Muß ja doch nicht alles über alle Be-
griffe hinausgehen die man nun einmal gefaßt hat; es ist auch gut, wenn man-
ches sich an den gewöhnlichen Sinn anschließt. Hätte ich damals ein Dutzend
Stücke der Art geschrieben, welches mir bei einiger Aufmunterung ein leichtes
gewesen wäre; so hätten sich vielleicht drei oder vier davon auf dem Theater
erhalten. Jede Direktion, die ihr Repertorium zu schätzen weiß, kann sagen,
was das für ein Vorteil wäre“ (FA, Bd. 14, 721).
 
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