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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0533
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Stellenkommentar UB II HL 7, KSA 1, S. 296 507

bilde zu werden, kann sie vielleicht Instincte erhalten oder sogar wecken.] Hier
reduziert N. das „Leben“ auf die Instinktnatur. Zugleich bewertet er die „Histo-
rie“ an keiner Stelle so deutlich wie hier ausschließlich im Hinblick auf ihre
„Wirkungen“. Nach Wagners Vorbild präferiert N. auch sonst in der Historien-
schrift die Kunst gegenüber der Wissenschaft, insbesondere im 6. Kapitel. Aber
nur hier forciert er die antirationalistische Grundtendenz bis zum Postulat, die
Geschichtsschreibung solle „reines Kunstgebilde“ werden, sich mithin von je-
dem wissenschaftlichen Anspruch dispensieren. Dabei fällt auf, dass N. hier
tendenziell auf einen einseitigen, vorrangig an positivistischen Prämissen aus-
gerichteten Wissenschaftsbegriff Bezug nimmt, gegen dessen enge Grenzen er
rebelliert, indem er auch in der Historiographie künstlerisch-kreative Aus-
drucksformen bevorzugt. Zur Problematik eines solchen ästhetischen Konzepts
in der Geschichtsschreibung vgl. im Überblickskommentar das Kapitel II.9
Problematische Aspekte der Historienschrift: Abschnitt 5. Historische Faktizität
versus Geschichtskonstruktion als strategische Fiktion.
296, 26-28 solche Menschen zerstören Illusionen, und „wer die Illusion in sich
und Anderen zerstört, den straft die Natur als der strengste Tyrann“] Hier zitiert
N. Goethes Fragment über die Natur (1781/82) in der Textversion, die sich in
Eduard von Hartmanns Philosophie des Unbewußten findet (Abschnitt C, Kapi-
tel XIII, 620).
296, 30-34 insbesondere scheint die neuere Theologie sich rein aus Harmlosig-
keit mit der Geschichte eingelassen zu haben und jetzt noch will sie es kaum
merken, dass sie damit, wahrscheinlich sehr wider Willen, im Dienste des Voltai-
re’schen ecrasez steht] Voltaire unterschrieb seine Briefe an befreundete Frei-
geister in der Zeit zwischen 1759 und 1768 mit dem Appell „Ecrasez l’infäme“
(„Zerschmettert die Schändliche“), der sich polemisch gegen die Kirche richte-
te. Oft unterzeichnete Voltaire solche Briefe statt mit seinem Namen nur mit
der abgekürzten Losung „Ecr. l’inf.“ oder mit „Ecrlinf.“, so dass die französi-
sche Zensur von einem Autor namens Ecrilinf ausging. Zuerst lancierte Fried-
rich der Große diese Wendung am 18. Mai 1759 in einem Brief an Voltaire. -
Schon 1863 hatte N. zum zweiten Teil von Hermann Hettners Literaturgeschich-
te des achtzehnten Jahrhunderts in drei Theilen (1860), der sich auf die französi-
sche Literatur bezog, Exzerpte angelegt, in denen sich auch Voltaires Appell
„Ecrasez l’infäme“ findet (NL 1863, 15 A [2], KGW13, 218-219). Hermann Hett-
ner äußert sich im zweiten Teil seiner Literaturgeschichte des achtzehnten Jahr-
hunderts in drei Theilen (1860) folgendermaßen über den französischen Philo-
sophen, Essayisten und Schriftsteller, der zu den einflussreichsten Autoren der
europäischen Aufklärung zählt: „Ja, Voltaire, der Greis, ist frischer und kühner
als Voltaire der Jüngling. [...] Ecrasez l’infäme, jenes berüchtigte Wort ist jetzt
 
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