Vorwort zu NK 1/3
Eine philosophische Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsches Ueber Wahr-
heit und Lüge im aussermoralischen Sinne (1873) zu unternehmen heißt, sich
mit einer der - ungeachtet ihrer Kürze - wichtigsten und reichsten Schriften
zu konfrontieren, die Nietzsche der abendländischen Philosophie hinterlassen
hat. Das Studium dieser Frühschrift Nietzsches setzt ferner die Vertiefung und
Ergründung eines entscheidenden Segmentes der Geschichte der Philosophie
und der Literatur voraus, nämlich der Sprachkrise im Übergang vom 19. zum
20. Jahrhundert (vgl. exemplarisch Kiesel 2004, 177-231). Die Komplexität und
Intensität dieses Phänomens, das nicht nur verschiedenste philosophische und
literarische Diskurse durchzogen hat, vermag das Studium allein von Ueber
Wahrheit und Lüge sicherlich nicht wiederzugeben. Und doch, gerade durch
Ueber Wahrheit und Lüge lässt sich ein Weg nachzeichnen, der 1873 seinen
Anfang nimmt und - zwar nicht streng linear, deshalb aber nicht ohne Konti-
nuitäten - bis zu gegenwärtigen Reflexionen reicht, in welcher Form auch im-
mer diese sich manifestieren.
Ueber Wahrheit und Lüge darf aus dieser Perspektive keinesfalls als eine
Schrift zweiten Ranges betrachtet werden. Im Gegenteil: Es ist, als ob gerade
die Zurückhaltung und Randständigkeit, die die Entstehung und Überlieferung
von Ueber Wahrheit und Lüge kennzeichnen, diese Schrift im Verlauf der Jahr-
zehnte und im Wechsel der Jahrhunderte zu einer Art Dispositiv haben werden
lassen, das sich immer neuen Interpretationen, Aktualisierungen und Distanz-
nahmen aussetzt. Ihre entschieden nicht-fachwissenschaftliche Natur macht
diese Schrift, wenn nicht zu einer Vergleichsgröße, so doch zu einem bedeuten-
den Bezugspunkt für verschiedene - fachwissenschaftliche - Bereiche der Phi-
losophie, der Ästhetik, der Sprach- und der Moralphilosophie. Es ist daher kein
Zufall, dass die auf den folgenden Seiten dokumentierte Rezeption von Ueber
Wahrheit und Lüge einen Fächer von Autoren und philosophischen Werken in
Betracht nimmt, der recht heterogen ist und sich nur schwer zu einer nahtlosen
Einheit zusammenfügen lässt. Ueber Wahrheit und Lüge zeichnet aus, was auch
für andere Texte Nietzsches gilt: eine multilineare Struktur und die Fähigkeit,
im Inneren der Schrift zahlreiche Ausstrahlungszentren zusammenzuhalten.
Wer sich eingehender mit Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen
Sinne auseinandersetzen möchte, sieht sich daher einer dreifachen Schwierig-
keit gegenüber. Denn wie der Versuch unternommen werden muss, die Plurali-
tät der Quellen, mittels derer Nietzsche sein Denken entwickelt, zusammenzu-
bringen, sind auch die verschiedenen Dimensionen des Textes und die vielfäl-
tigen Rezeptionen, zu denen er Anlass geboten hat und bietet, zu bündeln.
Eine philosophische Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsches Ueber Wahr-
heit und Lüge im aussermoralischen Sinne (1873) zu unternehmen heißt, sich
mit einer der - ungeachtet ihrer Kürze - wichtigsten und reichsten Schriften
zu konfrontieren, die Nietzsche der abendländischen Philosophie hinterlassen
hat. Das Studium dieser Frühschrift Nietzsches setzt ferner die Vertiefung und
Ergründung eines entscheidenden Segmentes der Geschichte der Philosophie
und der Literatur voraus, nämlich der Sprachkrise im Übergang vom 19. zum
20. Jahrhundert (vgl. exemplarisch Kiesel 2004, 177-231). Die Komplexität und
Intensität dieses Phänomens, das nicht nur verschiedenste philosophische und
literarische Diskurse durchzogen hat, vermag das Studium allein von Ueber
Wahrheit und Lüge sicherlich nicht wiederzugeben. Und doch, gerade durch
Ueber Wahrheit und Lüge lässt sich ein Weg nachzeichnen, der 1873 seinen
Anfang nimmt und - zwar nicht streng linear, deshalb aber nicht ohne Konti-
nuitäten - bis zu gegenwärtigen Reflexionen reicht, in welcher Form auch im-
mer diese sich manifestieren.
Ueber Wahrheit und Lüge darf aus dieser Perspektive keinesfalls als eine
Schrift zweiten Ranges betrachtet werden. Im Gegenteil: Es ist, als ob gerade
die Zurückhaltung und Randständigkeit, die die Entstehung und Überlieferung
von Ueber Wahrheit und Lüge kennzeichnen, diese Schrift im Verlauf der Jahr-
zehnte und im Wechsel der Jahrhunderte zu einer Art Dispositiv haben werden
lassen, das sich immer neuen Interpretationen, Aktualisierungen und Distanz-
nahmen aussetzt. Ihre entschieden nicht-fachwissenschaftliche Natur macht
diese Schrift, wenn nicht zu einer Vergleichsgröße, so doch zu einem bedeuten-
den Bezugspunkt für verschiedene - fachwissenschaftliche - Bereiche der Phi-
losophie, der Ästhetik, der Sprach- und der Moralphilosophie. Es ist daher kein
Zufall, dass die auf den folgenden Seiten dokumentierte Rezeption von Ueber
Wahrheit und Lüge einen Fächer von Autoren und philosophischen Werken in
Betracht nimmt, der recht heterogen ist und sich nur schwer zu einer nahtlosen
Einheit zusammenfügen lässt. Ueber Wahrheit und Lüge zeichnet aus, was auch
für andere Texte Nietzsches gilt: eine multilineare Struktur und die Fähigkeit,
im Inneren der Schrift zahlreiche Ausstrahlungszentren zusammenzuhalten.
Wer sich eingehender mit Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen
Sinne auseinandersetzen möchte, sieht sich daher einer dreifachen Schwierig-
keit gegenüber. Denn wie der Versuch unternommen werden muss, die Plurali-
tät der Quellen, mittels derer Nietzsche sein Denken entwickelt, zusammenzu-
bringen, sind auch die verschiedenen Dimensionen des Textes und die vielfäl-
tigen Rezeptionen, zu denen er Anlass geboten hat und bietet, zu bündeln.