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16 Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne

stituierendes Phänomen dient, dem die Sprache allerdings strukturanalog ist
und für das sie gewissermaßen metaphorisch eintritt.
Zu den Strukturprinzipien der Sprache gehört aber ein allmähliches Ab-
gleiten ihrer Metaphorizität in die „Unbewusstheit" (881, 13-14), ja erst
aus dem Vergessen der originären Metaphern im Laufe des allgemeinen
Sprachgebrauchs resultiert für N. der Wahrheitstrieb. Dieser steigert sich als
„Gefühl der Wahrheit" (881, 14-15) durch ein fortgesetztes Hypostasieren der
Begriffe zu einem lebensfeindlichen intellektuellen Erkenntnistrieb. Die Bil-
dung der Begriffe beschreibt N. hier mit architektonischen Bildern, die sich
auf den folgenden Seiten zu „in's Ungeheure aufgethürmte[n]" (886, 22-23)
Metaphern auswachsen und derart zu einem „Zertrümmern und Verhöhnen der
alten Begriffsschranken" (889, 4-5) hinführen, wie N. gegen Ende von WL das
Treiben des intuitiven Menschen bestimmt. Besonders die Wissenschaft (das
ist für N. aber zugleich die Philosophie) stellt der Text als hochmütige Kons-
trukteurin dar. Für ihre abstrakten Begriffsbauten, über deren Selbstreferenzia-
lität sie sich hinwegtäuscht, behauptet sie gar eine Existenz außerhalb der Vor-
stellung und den Begriffen entsprechende Wesenheiten (vgl. NK 880, 19). Die
Vorstellung von einer Welt der Oberfläche und einem dem intellektuellen Zu-
griff entzogenen Urgrund ist für N. eine einer Welt der Oberfläche zugehörende
Metapher, welche diese zugleich als von einem fließenden Untergrund ver-
schiedene erst konstituiert - eine Art ,Umkehrung' des Platonismus ante litte-
ram. Eben darin besteht für N. aber die besondere Leistung der Sprache, dass
sie ihre eigenen unbewussten (ästhetischen) Voraussetzungen, wenn nicht auf-
decken oder gar aufheben, so doch problematisieren kann, wozu ihr freilich
nur wieder Metaphern zur Verfügung stehen. N. selbst betreibt diese Problema-
tisierung in WL mit einer subversiv die Dynamik des Textes erzeugenden Bild-
Vernetzung und mit der Metaphorik des Flüssigen und Beweglichen.
Die Ambivalenz der Sprache ist im Besonderen abzulesen an der (metapho-
rischen) Unterscheidung zwischen Wort und Begriff. Zunächst stellt N. die Me-
tapher als notwendigen Vorläufer des Begriffs unter den Begriff, zweitens aber
stellt er sie als lebendigen Antipoden dem starren Begriff entgegen. Die Meta-
pher der ersten Art ist aber wiederum nur in einer Metapher (wie jener des
Nervenreizmodells) denkbar, da sie, der Sprache entzogen, in individuellem
Erleben gründet. Wenn aber ein solches Erleben bewusst gemacht, wenn es
erinnert wird, dann unterliegt es schon den Sprachschemata, die Schemata
auch des Bewusstseins sind. Ja schon die „Perception" (884, 5) bedeutet
für N. ein Assimilieren von „zwei absolut verschiedenen Sphären" (884, 9-
10). Eine von jedem Wahrheitsanspruch freie originäre Anschauungsmetapher
kann für N. also nur als in der Prozessualität der Metapherbildung seiend ge-
dacht werden, deren fiktiv-geschichtliches Produkt dann immer nur der Begriff
 
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