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Scheibenberger, Sarah; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,3): Kommentar zu Nietzsches "Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69927#0051
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34 Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne

Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life, 1859) in die deutsche
Sprache übernommenen „Kampf ums Dasein". Darwin wiederum war zu die-
sem Schlagwort durch das auf die Politik gemünzte Wort struggle for (a natio-
nal) existence angeregt worden, das der Nationalökonom Malthus in seinem
Essay on the Principle of Population (1798) lancierte. N. verstand, wie es in FW
heißt, den „Darwinismus mit seiner unbegreiflich einseitigen Lehre vom
,Kampf um's Dasein"' (FW 349, KSA 3, 585, 20-21) als „zeitweilige Restriktion
des Lebenswillens" (FW 349, KSA 3, 585, 31-32). Nicht ums bloße Überleben
werde gekämpft, wie er später in GD schreibt, sondern „wo gekämpft wird,
kämpft man um Macht" (GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 14, KSA 6, 120,
24), d. h. um physisch-intellektuelle Überlegenheit. Thesen Darwins entnahm
er vor allem Langes Geschichte des Materialismus (1866), die im Rahmen anth-
ropologischer Fragestellungen mehrfach auf Darwin eingeht (vgl. Lange 1866,
424-425). Kritisch setzt sich auch Hartmann in der Philosophie des Unbewuss-
ten (Berlin 1869) mit Darwin auseinander, indem er etwa den in der organi-
schen Welt beobachteten unbewussten ästhetischen „Trieb zur Schönheit"
(Hartmann 1869, 225) als im „Kampfe um's Dasein" (Hartmann 1869, 225)
indirekt zweckmäßig erläutert (vgl. Hartmann 1869, 223-226).
In diesem spezifischen Kontext diente N. aber vermutlich Schopenhauers
WWV als Vorlage, denn das Schlagwort ist dort eingebettet in eine Argumenta-
tion, die in den wesentlichen Punkten auch jener von WL (876, 15 bis 877, 23)
entspricht (vgl. WWV, Bd. 2, B. 4, Kap. 46, 670). Schopenhauer geht es vor-
nehmlich darum, die „sophistischen Beweise Leibnizens" (WWV, Bd. 2, B.
4, Kap. 46, 669) zu parodieren und damit, wie schon Voltaire, die Unhaltbarkeit
jedes Optimismus zu beweisen und die Welt als schlechteste aller möglichen
vorzustellen. Er verknüpft wie auch N. mit dem fortgesetzten Überlebenskampf
die Entwicklung der Vernunft, die schließlich die „Nothwendigkeit des Staates
und der Gesetzgebung" (WWV, Bd. 2, B. 4, Kap. 46, 663) einsieht. Für N. be-
steht der notwendige „Friedensschluss" (877, 21) in der „Gesetzgebung der
Sprache" (877, 28), die wiederum „die ersten Gesetze der Wahrheit" (877, 28-
29) gibt. Vgl. auch NK 877, 22-23 zum bellum omnium contra omnes.
876, 20-24 Im Menschen kommt diese Verstellungskunst auf ihren Gipfel: hier
ist die Täuschung, das Schmeicheln, Lügen und Trügen, das Hinter-dem-Rücken-
Reden, das Repräsentiren, das im erborgten Glanze Leben, das Maskirtsein, die
verhüllende Convention, das Bühnenspiel vor Anderen und vor sich selbst] Ähn-
lich in N.s Ausgabe von Pascal 1865, 2. Bd., 51, wo er sich folgende Passage
mit Bleistift markiert: „man täuscht und schmeichelt sich nur gegenseitig. Nie-
mand spricht von uns in unserer Gegenwart so, wie er hinter uns sprach. Die
Einigkeit der Menschen gründet sich nur auf diesen gegenseitigen Betrug [...]
Der Mensch ist also nur Täuschung. Lug und Trug für sich selbst und in seinen
 
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