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46 Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne

Ihr Wert bemisst sich nach einem „ ästhetische[n] Verhalten" (884, 12; vgl.
NK 884, 9-15) im Wortsinne von aisthänomai, insofern sie nämlich dem sinnli-
chen Empfinden gerecht wird.
879, 10-13 Ein Nervenreiz zuerst übertragen in ein Bild! erste Metapher. Das
Bild wieder nachgeformt in einen Laut! Zweite Metapher. Und jedesmal vollstän-
diges Ueberspringen der Sphäre, mitten hinein in eine ganz andere und neue.]
Nachweislich kam N. mit ähnlichen Modellen von Sphären-Wechseln bei der
Wortbildung schon bei Schopenhauer, Lange und Hartmann in Berührung
(vgl. Crawford 1988, 210-211). Ihre Gedanken zur Nichtentsprechung von Spra-
che und Ding an sich finden sich schon in N.s frühen Aufzeichnungen wieder.
Als Vorlage für den Mechanismus eines „Ueberspringen[s] der Sphäre[n]" (879,
12-13) diente N. in WL Gerbers Konzept der Nervenreizübertragung, das dieser
im Rahmen seiner „Kritik der Sprache" (vgl. SK, 279) entwickelt, deren
Aufgabe die Aufdeckung der verdeckten Entstehungsbedingungen der Sprache
ist. Die verschiedenen Übertragungsstufen fasst Gerber in einem Satz zusam-
men: „Wenn nämlich durch ein Hörbares - den Laut - ein Reiz, eine Empfin-
dung dargestellt wird, kann diese Darstellung freilich nur ein Bild sein, [...]
und insofern sind alle Empfindungslaute Lautbilder, aber das Bild, wel-
ches die Vorstellung entwirft, ist noch ein anderes" (SK, 174). Die Entwicklung
vom Nervenreiz hin zum Wort verläuft bei Gerber in folgenden Schritten: Von
einem konstatierten Ding an sich wird ein Reiz ausgelöst, der wiederum eine
Empfindung hervorruft, deren Spannung sich in einem Laut entlädt. Das Ver-
hältnis zwischen Empfindung und Laut ist des je anderen Materials wegen ar-
biträrer Natur und Spielfeld des Kunstinstinktes, der im Laut erstmals die Origi-
nalempfindung abbildet. Insofern der Laut nicht das Individuelle, sondern das
Allgemeine repräsentiert, operiert er als Synekdoche. So konstatiert Gerber: „die
Darstellung lässt nothwendig das Ding äusser Acht, und damit auch die genau-
ere, individuelle Bestimmtheit des Reizes" (SK, 157). Der Übergang vom Laut
zur Vorstellung verläuft gleichfalls arbiträr und mündet mit einer weiteren, nun
bewussten Übertragung in der (Wort-)Wurzel als in einer zweiten Bildebene, die
den Laut symbolisiert. Das Wort ist für Gerber damit „Bild vom Bild" der origi-
nären Reizempfindung (womit Gerber natürlich auch an die Theorien der Ein-
bildungskraft des 18. Jahrhunderts anknüpft). Er stellt fest, dass „wir in Bildern
von Bildern denken" (SK, 279). Die Übertragungsvorgänge setzen sich bei der
Begriffsbildung fort: Da es „der Sprache an eigenen, ursprünglichen Ausdrü-
cken für abstrakt geistige Begriffe" fehlt, „werden, um sie zu erhalten, [...] den
schon vorhandenen Wörtern andere Bedeutungen übertragen" (SK, 278).
N. verknüpft in WL sein an Gerber geschultes Metaphern-Verständnis (vgl.
NK 879, 8-10) mit dessen tropologischem Modell. Anders als Gerber stellt N.
(Helmholtz kritisierend) schon den Nervenreiz als willkürliche Übertragungs-
 
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