Drucktext 73
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vorbei. Schon dies kostet ihm Mühe, sich einzugestehen, wie das
Insekt oder der Vogel eine ganz andere Welt percipiren als der
Mensch, und dass die Frage, welche von beiden Weltperceptionen
richtiger ist, eine ganz sinnlose ist, da hierzu bereits mit dem
Maassstabe der richtigen Perception d. h. mit einem
nicht vorhandenen Maassstabe gemessen werden müsste.
Ueberhaupt aber scheint mir die richtige Perception - das würde
heissen der adäquate Ausdruck eines Objekts im Subjekt - ein
widerspruchsvolles Unding: denn zwischen zwei absolut verschie-
denen Sphären wie zwischen Subjekt und Objekt giebt es keine
Causalität, keine Richtigkeit, keinen Ausdruck, sondern höch-
stens ein ästhetisches Verhalten, ich meine eine andeutende
Uebertragung, eine nachstammelnde Uebersetzung in eine ganz
fremde Sprache. Wozu es aber jedenfalls einer frei dichtenden und
frei erfindenden Mittel-Sphäre und Mittelkraft bedarf. Das Wort
Erscheinung enthält viele Verführungen, weshalb ich es möglichst
vermeide: denn es ist nicht wahr, dass das Wesen der Dinge in der
empirischen Welt erscheint. Ein Maler, dem die Hände fehlen und
der durch Gesang das ihm vorschwebende Bild ausdrücken wollte,
wird immer noch mehr bei dieser Vertauschung der Sphären ver-
rathen, als die empirische Welt vom Wesen der Dinge verräth.
Selbst das Verhältniss eines Nervenreizes zu dem hervorgebrach-
ten Bilde ist an sich kein nothwendiges; wenn aber eben dasselbe
Bild Millionen Mal hervorgebracht und durch viele Menschen-
geschlechter hindurch vererbt ist, ja zuletzt bei der gesammten
Menschheit jedesmal in Folge desselben Anlasses erscheint, so be-
kommt es endlich für den Menschen dieselbe Bedeutung, als ob es
das einzig nothwendige Bild sei und als ob jenes Verhältniss des
ursprünglichen Nervenreizes zu dem hergebrachten Bilde ein
strenges Causalitätsverhältniss sei; wie ein Traum, ewig wieder-
holt, durchaus als Wirklichkeit empfunden und beurtheilt werden
würde. Aber das Hart- und Starr-Werden einer Metapher ver-
bürgt durchaus nichts für die Nothwendigkeit und ausschliessliche
Berechtigung dieser Metapher.
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Es hat gewiss jeder Mensch, der in solchen Betrachtungen
heimisch ist, gegen jeden derartigen Idealismus ein tiefes Miss-
trauen empfunden, so oft er sich einmal recht deutlich von der
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vorbei. Schon dies kostet ihm Mühe, sich einzugestehen, wie das
Insekt oder der Vogel eine ganz andere Welt percipiren als der
Mensch, und dass die Frage, welche von beiden Weltperceptionen
richtiger ist, eine ganz sinnlose ist, da hierzu bereits mit dem
Maassstabe der richtigen Perception d. h. mit einem
nicht vorhandenen Maassstabe gemessen werden müsste.
Ueberhaupt aber scheint mir die richtige Perception - das würde
heissen der adäquate Ausdruck eines Objekts im Subjekt - ein
widerspruchsvolles Unding: denn zwischen zwei absolut verschie-
denen Sphären wie zwischen Subjekt und Objekt giebt es keine
Causalität, keine Richtigkeit, keinen Ausdruck, sondern höch-
stens ein ästhetisches Verhalten, ich meine eine andeutende
Uebertragung, eine nachstammelnde Uebersetzung in eine ganz
fremde Sprache. Wozu es aber jedenfalls einer frei dichtenden und
frei erfindenden Mittel-Sphäre und Mittelkraft bedarf. Das Wort
Erscheinung enthält viele Verführungen, weshalb ich es möglichst
vermeide: denn es ist nicht wahr, dass das Wesen der Dinge in der
empirischen Welt erscheint. Ein Maler, dem die Hände fehlen und
der durch Gesang das ihm vorschwebende Bild ausdrücken wollte,
wird immer noch mehr bei dieser Vertauschung der Sphären ver-
rathen, als die empirische Welt vom Wesen der Dinge verräth.
Selbst das Verhältniss eines Nervenreizes zu dem hervorgebrach-
ten Bilde ist an sich kein nothwendiges; wenn aber eben dasselbe
Bild Millionen Mal hervorgebracht und durch viele Menschen-
geschlechter hindurch vererbt ist, ja zuletzt bei der gesammten
Menschheit jedesmal in Folge desselben Anlasses erscheint, so be-
kommt es endlich für den Menschen dieselbe Bedeutung, als ob es
das einzig nothwendige Bild sei und als ob jenes Verhältniss des
ursprünglichen Nervenreizes zu dem hergebrachten Bilde ein
strenges Causalitätsverhältniss sei; wie ein Traum, ewig wieder-
holt, durchaus als Wirklichkeit empfunden und beurtheilt werden
würde. Aber das Hart- und Starr-Werden einer Metapher ver-
bürgt durchaus nichts für die Nothwendigkeit und ausschliessliche
Berechtigung dieser Metapher.
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Es hat gewiss jeder Mensch, der in solchen Betrachtungen
heimisch ist, gegen jeden derartigen Idealismus ein tiefes Miss-
trauen empfunden, so oft er sich einmal recht deutlich von der