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allerdings, dass jene künstlerische Metapherbildung, mit der in
uns jede Empfindung beginnt, bereits jene Formen voraussetzt,
also in ihnen vollzogen wird; nur aus dem festen Verharren
dieser Urformen erklärt sich die Möglichkeit, wie nachher wieder
aus den Metaphern selbst ein Bau der Begriffe constituirt werden
sollte. Dieser ist nämlich eine Nachahmung der Zeit- Raum- und
Zahlenverhältnisse auf dem Boden der Metaphern.
2.
An dem Bau der Begriffe arbeitet ursprünglich, wie wir sahen,
die Sprache, in späteren Zeiten die Wissenschaft. Wie
die Biene zugleich an den Zellen baut und die Zellen mit Honig
füllt, so arbeitet die Wissenschaft unaufhaltsam an jenem grossen
Columbarium der Begriffe, der Begräbnissstätte der Anschauung,
baut immer neue und höhere Stockwerke, stützt, reinigt, erneut
die alten Zellen, und ist vor allem bemüht, jenes in's Ungeheure
aufgethürmte Fachwerk zu füllen und die ganze empirische Welt
d.h. die anthropomorphische Welt hineinzuordnen. Wenn schon
der handelnde Mensch sein Leben an die Vernunft und ihre Be-
griffe bindet, um nicht fortgeschwemmt zu werden und sich nicht
selbst zu verlieren, so baut der Forscher seine Hütte dicht an dem
Thurmbau der Wissenschaft, um an ihm mithelfen zu können und
selbst Schutz unter dem vorhandenen Bollwerk zu finden. Und
Schutz braucht er: denn es giebt furchtbare Mächte, die fortwäh-
rend auf ihn eindringen, und die der wissenschaftlichen Wahrheit
ganz anders geartete „Wahrheiten" mit den verschiedenartigsten
Schildzeichen entgegenhalten.
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Jener Trieb zur Metapherbildung, jener Fundamentaltrieb
des Menschen, den man keinen Augenblick wegrechnen kann, weil
man damit den Menschen selbst wegrechnen würde, ist dadurch,
dass aus seinen verflüchtigten Erzeugnissen, den Begriffen, eine
reguläre und starre neue Welt als eine Zwingburg für ihn gebaut
wird, in Wahrheit nicht bezwungen und kaum gebändigt. Er sucht
sich ein neues Bereich seines Wirkens und ein anderes Flussbette
und findet es im Mythus und überhaupt in der Kunst. Fortwäh-
rend verwirrt er die Rubriken und Zellen der Begriffe dadurch
dass er neue Uebertragungen, Metaphern, Metonymien hinstellt,
fortwährend zeigt er die Begierde, die vorhandene Welt des
 
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