20 Schopenhauer als Erzieher
heiten und Ausflüchte Schopenhauer's" etikettiert, aus denen hervorgehe,
dass er sich trotz seines ausgeprägten Tatsachensinns von der Prätention, der
„Enträthseler der Welt zu sein", habe „verführen" lassen (KSA 3, 454, 7-10). Die
Ambivalenzen, die N. nach seiner von Schopenhauer-Verehrung bestimmten
Frühphase im Hinblick auf die Philosophie seines einstigen ,Erziehers' entwi-
ckelte, sind mithin auch in der Fröhlichen Wissenschaft evident.
Sowohl für N.s ursprüngliches Selbstverständnis als Erbe, Sohn und ,Zög-
ling' Schopenhauers (350) als auch für die Wissenschaftskritik, die er in der
Gelehrtensatire von UB III SE kulminieren lässt (394-399), sind eigene Erfah-
rungen von fundamentaler Bedeutung. N. selbst charakterisiert seine Polemik
gegen den zeitgenössischen akademischen Betrieb später als ein „herbes Stück
Psychologie des Gelehrten" (KSA 6, 320, 33-34). Aus der Retrospektive seiner
im Vorfeld des geistigen Zusammenbruchs entstandenen Spätschrift Ecce homo
„musste" N. zunächst „eine Zeit lang auch Gelehrter sein" (KSA 6, 321, 5-6),
um dann seine exorbitante „Höhe" erreichen zu können (KSA 6, 320, 13). In
welchem Maße N. UB III SE und UB IV WB nachträglich für eine genialische
Selbststilisierung in Anspruch zu nehmen versucht, zeigt sein ins Monumenta-
le stilisiertes Selbstbild. So deutet er UB IV WB als „Vision" seiner eigenen Zu-
kunft und UB III SE als Ausdruck seiner eigenen „innerste[n] Geschichte"
(KSA 6, 320, 9-11), um dann emphatisch zu erklären: „Was ich heute bin, wo
ich heute bin - in einer Höhe, wo ich nicht mehr mit Worten, sondern mit
Blitzen rede -, oh wie fern davon war ich damals noch! - Aber ich sah das
Land, - ich betrog mich nicht einen Augenblick über Weg, Meer, Gefahr - und
Erfolg!" (KSA 6, 320, 12-17).
111.4 Quellen und Einzugsgebiete:
Vergleich mit Schopenhauers Schrift
Ueber die Universitäts-Philosophie
Die zentrale Quelle für N.s UB III SE ist Schopenhauers Schrift Ueber die Uni-
versitäts-Philosophie, wie ich m. W. erstmals nachgewiesen habe (Neymeyr
2014b, 287-290 sowie 2018, 294-297) und im vorliegenden Kommentar-Kapitel
ausführlicher dokumentiere. Darüber hinaus lassen noch andere Texte in Scho-
penhauers Parerga und Paralipomena thematische Affinitäten zu UB III SE er-
kennen, die ebenfalls in expliziten und impliziten Zitaten Ausdruck finden.
Dies gilt insbesondere für die Kapitel 19 bis 24 der Parerga und Paralipomena
II: 19. „Zur Metaphysik des Schönen und Aesthetik", 20. „Ueber Urtheil, Kritik,
Beifall und Ruhm", 21. „Ueber Gelehrsamkeit und Gelehrte", 22. „Selbstden-
ken", 23. „Ueber Schriftstellerei und Stil", 24. „Ueber Lesen und Bücher". -
heiten und Ausflüchte Schopenhauer's" etikettiert, aus denen hervorgehe,
dass er sich trotz seines ausgeprägten Tatsachensinns von der Prätention, der
„Enträthseler der Welt zu sein", habe „verführen" lassen (KSA 3, 454, 7-10). Die
Ambivalenzen, die N. nach seiner von Schopenhauer-Verehrung bestimmten
Frühphase im Hinblick auf die Philosophie seines einstigen ,Erziehers' entwi-
ckelte, sind mithin auch in der Fröhlichen Wissenschaft evident.
Sowohl für N.s ursprüngliches Selbstverständnis als Erbe, Sohn und ,Zög-
ling' Schopenhauers (350) als auch für die Wissenschaftskritik, die er in der
Gelehrtensatire von UB III SE kulminieren lässt (394-399), sind eigene Erfah-
rungen von fundamentaler Bedeutung. N. selbst charakterisiert seine Polemik
gegen den zeitgenössischen akademischen Betrieb später als ein „herbes Stück
Psychologie des Gelehrten" (KSA 6, 320, 33-34). Aus der Retrospektive seiner
im Vorfeld des geistigen Zusammenbruchs entstandenen Spätschrift Ecce homo
„musste" N. zunächst „eine Zeit lang auch Gelehrter sein" (KSA 6, 321, 5-6),
um dann seine exorbitante „Höhe" erreichen zu können (KSA 6, 320, 13). In
welchem Maße N. UB III SE und UB IV WB nachträglich für eine genialische
Selbststilisierung in Anspruch zu nehmen versucht, zeigt sein ins Monumenta-
le stilisiertes Selbstbild. So deutet er UB IV WB als „Vision" seiner eigenen Zu-
kunft und UB III SE als Ausdruck seiner eigenen „innerste[n] Geschichte"
(KSA 6, 320, 9-11), um dann emphatisch zu erklären: „Was ich heute bin, wo
ich heute bin - in einer Höhe, wo ich nicht mehr mit Worten, sondern mit
Blitzen rede -, oh wie fern davon war ich damals noch! - Aber ich sah das
Land, - ich betrog mich nicht einen Augenblick über Weg, Meer, Gefahr - und
Erfolg!" (KSA 6, 320, 12-17).
111.4 Quellen und Einzugsgebiete:
Vergleich mit Schopenhauers Schrift
Ueber die Universitäts-Philosophie
Die zentrale Quelle für N.s UB III SE ist Schopenhauers Schrift Ueber die Uni-
versitäts-Philosophie, wie ich m. W. erstmals nachgewiesen habe (Neymeyr
2014b, 287-290 sowie 2018, 294-297) und im vorliegenden Kommentar-Kapitel
ausführlicher dokumentiere. Darüber hinaus lassen noch andere Texte in Scho-
penhauers Parerga und Paralipomena thematische Affinitäten zu UB III SE er-
kennen, die ebenfalls in expliziten und impliziten Zitaten Ausdruck finden.
Dies gilt insbesondere für die Kapitel 19 bis 24 der Parerga und Paralipomena
II: 19. „Zur Metaphysik des Schönen und Aesthetik", 20. „Ueber Urtheil, Kritik,
Beifall und Ruhm", 21. „Ueber Gelehrsamkeit und Gelehrte", 22. „Selbstden-
ken", 23. „Ueber Schriftstellerei und Stil", 24. „Ueber Lesen und Bücher". -