204 Schopenhauer als Erzieher
in Also sprach Zarathustra hineinwirkt, andererseits folgt er Konzepten Scho-
penhauers, die sich als systematische Konsequenz aus dessen Willensmonis-
mus ergeben.
384, 21-22 jener letzte Zweck in dem Glück Aller oder der Meisten] Das größt-
mögliche Glück der größtmöglichen Zahl zu sichern, ist eine utilitaristische
Maxime. Vom Standpunkt seines Geistesaristokratismus ausgehend, wendet
sich N. auch sonst gegen den Utilitarismus, der die Idee des Gemeinwohls ins
Zentrum stellt und infolgedessen auch demokratische Prinzipien propagiert.
Insbesondere englische Theoretiker vertraten utilitaristische Konzepte. Als de-
ren Exponent galt John Stuart Mill, dessen Gesammelte Werke (dt. 1869-1880)
N. in seiner persönlichen Bibliothek hatte (NPB 383-390) und intensiv studier-
te, wie zahlreiche Lesespuren erkennen lassen. Seine eigenen geistesaristokra-
tischen Prinzipien (vgl. dazu NK 382, 4-9) hielt N. nicht für kompatibel mit
dem Utilitarismus. Von seinen individualistischen und antidemokratischen
Prämissen aus kritisiert er am Utilitarismus den Primat des Nützlichkeitsprin-
zips, vor allem eine einseitige Ausrichtung auf den gesellschaftlichen ,Nut-
zen'. - John Stuart Mill hatte 1861 in seiner Schrift Utilitarianism das Prinzip
des ,Nutzens' programmatisch zum Fundament einer Ethik erhoben, die das
Streben nach dem größtmöglichen individuellen Glück und gesellschaftlichen
Nutzen zum zentralen Handlungszweck erklärt. Allerdings insistiert auch Mill
in seinen Werken auf dem Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, be-
tont die Bedeutung geistiger Eliten und grenzt sich entschieden von einer ,Ty-
rannei der Mehrheit' ab. Sofern liberale Prinzipien in ausgewogener Weise mit
einem hedonistischen Utilitarismus verbunden werden, muss daraus kein
grundsätzlicher Widerspruch zum individualistischen Persönlichkeitsideal N.s
resultieren.
Auch in späteren Werken grenzt sich N. von Mills Konzepten ab. So nimmt
er in der Morgenröthe auf „John Stuart Mill" und seine Lehre „vom Mitleiden
oder vom Nutzen Anderer als dem Princip des Handelns" Bezug (KSA 3, 123,
29-31). Zugleich distanziert er sich von der Auffassung, das Individuum solle
sein Glück in der Unterordnung unter die Interessen der Allgemeinheit finden
und sein Denken und Handeln dabei ganz vom Kriterium des gesellschaftli-
chen Nutzens bestimmen lassen: als bloßes „Werkzeug des Ganzen" (KSA 3,
124, 12). Denn derartige Konzepte, die laut N. seit „der Zeit der französischen
Revolution" populär geworden sind und das gedankliche Fundament „alle[r]
socialistischen Systeme" bilden (vgl. KSA 3, 124, 1-5), zielen seiner Ansicht
nach letztlich auf „eine gründliche Umbildung, ja Schwächung und Aufhe-
bung des Individuums" (KSA 3, 124, 24-25). In Jenseits von Gut und Böse
kontrastiert N. „die europäische noblesse" französischer Provenienz mit der
durch das Utilitätsdenken verursachten „europäische[n] Gemeinheit", die er
in Also sprach Zarathustra hineinwirkt, andererseits folgt er Konzepten Scho-
penhauers, die sich als systematische Konsequenz aus dessen Willensmonis-
mus ergeben.
384, 21-22 jener letzte Zweck in dem Glück Aller oder der Meisten] Das größt-
mögliche Glück der größtmöglichen Zahl zu sichern, ist eine utilitaristische
Maxime. Vom Standpunkt seines Geistesaristokratismus ausgehend, wendet
sich N. auch sonst gegen den Utilitarismus, der die Idee des Gemeinwohls ins
Zentrum stellt und infolgedessen auch demokratische Prinzipien propagiert.
Insbesondere englische Theoretiker vertraten utilitaristische Konzepte. Als de-
ren Exponent galt John Stuart Mill, dessen Gesammelte Werke (dt. 1869-1880)
N. in seiner persönlichen Bibliothek hatte (NPB 383-390) und intensiv studier-
te, wie zahlreiche Lesespuren erkennen lassen. Seine eigenen geistesaristokra-
tischen Prinzipien (vgl. dazu NK 382, 4-9) hielt N. nicht für kompatibel mit
dem Utilitarismus. Von seinen individualistischen und antidemokratischen
Prämissen aus kritisiert er am Utilitarismus den Primat des Nützlichkeitsprin-
zips, vor allem eine einseitige Ausrichtung auf den gesellschaftlichen ,Nut-
zen'. - John Stuart Mill hatte 1861 in seiner Schrift Utilitarianism das Prinzip
des ,Nutzens' programmatisch zum Fundament einer Ethik erhoben, die das
Streben nach dem größtmöglichen individuellen Glück und gesellschaftlichen
Nutzen zum zentralen Handlungszweck erklärt. Allerdings insistiert auch Mill
in seinen Werken auf dem Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, be-
tont die Bedeutung geistiger Eliten und grenzt sich entschieden von einer ,Ty-
rannei der Mehrheit' ab. Sofern liberale Prinzipien in ausgewogener Weise mit
einem hedonistischen Utilitarismus verbunden werden, muss daraus kein
grundsätzlicher Widerspruch zum individualistischen Persönlichkeitsideal N.s
resultieren.
Auch in späteren Werken grenzt sich N. von Mills Konzepten ab. So nimmt
er in der Morgenröthe auf „John Stuart Mill" und seine Lehre „vom Mitleiden
oder vom Nutzen Anderer als dem Princip des Handelns" Bezug (KSA 3, 123,
29-31). Zugleich distanziert er sich von der Auffassung, das Individuum solle
sein Glück in der Unterordnung unter die Interessen der Allgemeinheit finden
und sein Denken und Handeln dabei ganz vom Kriterium des gesellschaftli-
chen Nutzens bestimmen lassen: als bloßes „Werkzeug des Ganzen" (KSA 3,
124, 12). Denn derartige Konzepte, die laut N. seit „der Zeit der französischen
Revolution" populär geworden sind und das gedankliche Fundament „alle[r]
socialistischen Systeme" bilden (vgl. KSA 3, 124, 1-5), zielen seiner Ansicht
nach letztlich auf „eine gründliche Umbildung, ja Schwächung und Aufhe-
bung des Individuums" (KSA 3, 124, 24-25). In Jenseits von Gut und Böse
kontrastiert N. „die europäische noblesse" französischer Provenienz mit der
durch das Utilitätsdenken verursachten „europäische[n] Gemeinheit", die er