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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0259
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232 Schopenhauer als Erzieher

dem auch auf die von Schiller am 26. Mai 1789 an der Universität Jena gehalte-
ne Antrittsvorlesung Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universal-
geschichte? Hier stellt bereits Schiller dem bloßen „Brotgelehrte[n]" den
„philosophische[n] Kopf" gegenüber (vgl. Schiller: FA, Bd. 6, 412). Damit antizi-
piert er die Opposition zwischen den vermeintlich inferioren Universitätsphiloso-
phen und den genuinen, nach Wahrheit strebenden Philosophen, die Schopen-
hauer so entschieden betont. Insofern greift N. mit seiner Gelehrtenkritik in
UB III SE auf beide Quellen zurück: auf Schopenhauer und auf Schiller, aus des-
sen Rede er zuvor bereits in UB II HL wörtlich zitiert (vgl. KSA 1, 291, 12-18).
Der Auffassung Schillers zufolge setzt der „Brotgelehrte" - anders als „der
philosophische Kopf" - bloß deshalb „die Kräfte seines Geistes in Bewegung",
weil er dadurch „der Vorteile" eines Amtes „teilhaftig werden" will, um „seinen
sinnlichen Zustand zu verbessern und eine kleinliche Ruhmsucht zu befriedi-
gen" (vgl. ebd., 412). „Je weniger seine Kenntnisse durch sich selbst ihn beloh-
nen, desto größere Vergeltung heischt er von außen [...]. Darum hört man nie-
mand über Undank mehr klagen, als den Brotgelehrten; nicht bei seinen
Gedankenschätzen sucht er seinen Lohn, seinen Lohn erwartet er von fremder
Anerkennung, von Ehrenstellen, von Versorgung"; „er hat umsonst nach
Wahrheit geforscht", wenn sie sich „für ihn nicht in Gold, in Zeitungslob, in
Fürstengunst verwandelt" (Schiller: FA, Bd. 6, 413). Und gerade durch diese
Einstellung lässt der „Brotgelehrte" laut Schiller erkennen, dass er „im Reiche
der vollkommensten Freiheit eine Sklavenseele mit sich herum trägt" (ebd.,
414). Der „philosophische Geist" hingegen strebe nach „Vollendung seines Wis-
sens", sei durch neue „Entdeckungen" fasziniert und schreite, von seiner
Wahrheitsliebe angetrieben, „zu höherer Vortrefflichkeit fort", während „der
Brotgelehrte, in ewigem Geistesstillstand, das unfruchtbare Einerlei seiner
Schulbegriffe hütet" (ebd., 415). - Auf andere Aspekte von Schillers Antritts-
vorlesung Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?
spielt N. in UB IV WB an (vgl. KSA 1, 446, 19 - 447, 7). Vgl. auch NK 291, 12-18
sowie NK 446, 22 und NK 446, 23-25.
398, 19-24 Die Unwahrheit, der Irrthum wird schallend explodirt [...]; doch wird
hier und da auch einmal die wirkliche Wahrheit explodirt, damit wenigstens für
eine kurze Zeit Platz für hartnäckige und kecke Irrthümer geschafft werde] Unüb-
liche Transitivierung des Verbs ,explodieren', das N. in 367, 16-17 allerdings -
der Norm der deutschen Gegenwartssprache gemäß - intransitiv verwendet.
N.s Wortgebrauch im Rahmen dieser wissenschaftshistorischen Konstellation
entspricht der Diktion Schopenhauers, der in seiner Schrift Ueber die Universi-
täts-Philosophie gegen die „Herren von der lukrativen Philosophie" polemi-
siert. Sie ignorieren seines Erachtens die Konsequenzen, die aus der trans-
zendentalphilosophischen Theologiekritik Kants zu ziehen wären: „Nachdem
 
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