332 Richard Wagner in Bayreuth
spielt N. dort in der Schlusspassage bereits auf den Gründungsakt an (vgl.
NK 1/1, 411 zu KSA 1, 156, 3-8). Auch die von Wagner stammende Leitvorstel-
lung vom „Geist der Musik" übernimmt N. aus seiner Tragödienschrift für
UB IV WB (vgl. z. B. 474, 21). Und der dramatische „Dithyrambus" (KSA 1, 111-
113), den N. als konstitutiv für die Entstehung der griechischen Tragödie be-
trachtet, personifiziert sich für ihn nun im „Wesen des dithyrambischen
Dramatikers" Wagner (467, 13-19).
Noch weitere Hauptthemen der Tragödienschrift kehren in UB IV WB wie-
der: das Verhältnis von „Musik und Drama" (454, 13) sowie von „Mythus
und Musik" (477, 17). Die Attacke auf das abstrakte Denken, auf die „Begriffe"
(455, 21) und den Typus des „theoretischen Menschen" (485, 28) führt N. hier
ebenfalls fort. Schon in der Geburt der Tragödie exemplifiziert er die Problema-
tik des Rationalismus mit Sokrates und plädiert selbst entschieden für Gefühl
und Leidenschaft. Diese Programmatik intensiviert sich in UB IV WB noch. Die
bereits in der Tragödienschrift zentrale Kulturkritik steigert N. hier bis zur Vor-
stellung eines Kulturkampfes. Dieses Konzept hat für die Unzeitgemässen Be-
trachtungen insgesamt eine konstitutive Bedeutung. Schon UB I DS hat den
Charakter einer kulturkritischen Streitschrift. Analog zur Geburt der Tragödie
intoniert N. in UB IV WB auch die Thematik der „Zukunft", der er hier in der
Schlusspassage (500, 23 - 501, 6) eine programmatische Emphase verleiht.
So markant diese Kontinuitäten erscheinen, so deutlich zeichnen sich zu-
gleich die Unterschiede ab: In UB IV WB verschwindet die Konstellation von
Dionysischem und Apollinischem; auch die Darlegungen zur Antike fehlen
hier. Entsprechendes gilt für die in der Tragödienschrift noch strukturbildende
Adaptation von Konzepten aus Schopenhauers Hauptwerk Die Welt als Wille
und Vorstellung (vgl. Neymeyr 1996a, 233-251). Auch die Anspielungen auf
Schopenhauers Philosophie sowie die Zitate und Paraphrasen zu seinen Wer-
ken treten in UB IV WB zurück, wenngleich manche Vorstellungen Schopen-
hauers noch nachwirken, etwa Aspekte seiner Musikästhetik.
Am Anfang von UB IV WB steht ein Zentralthema, das N. auch in anderen
Werken exponiert, etwa im 2. Kapitel seiner Historienschrift: die Vorstellung
des ,großen Menschen' und des ,großen Ereignisses'. In UB IV WB ist damit
natürlich Richard Wagner als derjenige gemeint, der die Institution Bayreuth
inauguriert hat. Zugleich spielt N. auf die feierliche Eröffnung des Festspiel-
hauses an. Dabei zieht er alle Register einer pathosgeladenen Wort-Ouvertüre
und scheut auch vor hyperbolischen Assoziationen nicht zurück. So wählt er
keinen Geringeren als Alexander den Großen als Parameter für Wagners Größe.
Ja, Wagner erfährt in UB IV WB durch N. geradezu eine Apotheose: Die von
den Jüngern' bestaunte Heilstat seiner Kunst soll sogar der des wiederaufer-
standenen Christus gleichen (434, 3-4). Die Imagination einer Mysterienhand-
spielt N. dort in der Schlusspassage bereits auf den Gründungsakt an (vgl.
NK 1/1, 411 zu KSA 1, 156, 3-8). Auch die von Wagner stammende Leitvorstel-
lung vom „Geist der Musik" übernimmt N. aus seiner Tragödienschrift für
UB IV WB (vgl. z. B. 474, 21). Und der dramatische „Dithyrambus" (KSA 1, 111-
113), den N. als konstitutiv für die Entstehung der griechischen Tragödie be-
trachtet, personifiziert sich für ihn nun im „Wesen des dithyrambischen
Dramatikers" Wagner (467, 13-19).
Noch weitere Hauptthemen der Tragödienschrift kehren in UB IV WB wie-
der: das Verhältnis von „Musik und Drama" (454, 13) sowie von „Mythus
und Musik" (477, 17). Die Attacke auf das abstrakte Denken, auf die „Begriffe"
(455, 21) und den Typus des „theoretischen Menschen" (485, 28) führt N. hier
ebenfalls fort. Schon in der Geburt der Tragödie exemplifiziert er die Problema-
tik des Rationalismus mit Sokrates und plädiert selbst entschieden für Gefühl
und Leidenschaft. Diese Programmatik intensiviert sich in UB IV WB noch. Die
bereits in der Tragödienschrift zentrale Kulturkritik steigert N. hier bis zur Vor-
stellung eines Kulturkampfes. Dieses Konzept hat für die Unzeitgemässen Be-
trachtungen insgesamt eine konstitutive Bedeutung. Schon UB I DS hat den
Charakter einer kulturkritischen Streitschrift. Analog zur Geburt der Tragödie
intoniert N. in UB IV WB auch die Thematik der „Zukunft", der er hier in der
Schlusspassage (500, 23 - 501, 6) eine programmatische Emphase verleiht.
So markant diese Kontinuitäten erscheinen, so deutlich zeichnen sich zu-
gleich die Unterschiede ab: In UB IV WB verschwindet die Konstellation von
Dionysischem und Apollinischem; auch die Darlegungen zur Antike fehlen
hier. Entsprechendes gilt für die in der Tragödienschrift noch strukturbildende
Adaptation von Konzepten aus Schopenhauers Hauptwerk Die Welt als Wille
und Vorstellung (vgl. Neymeyr 1996a, 233-251). Auch die Anspielungen auf
Schopenhauers Philosophie sowie die Zitate und Paraphrasen zu seinen Wer-
ken treten in UB IV WB zurück, wenngleich manche Vorstellungen Schopen-
hauers noch nachwirken, etwa Aspekte seiner Musikästhetik.
Am Anfang von UB IV WB steht ein Zentralthema, das N. auch in anderen
Werken exponiert, etwa im 2. Kapitel seiner Historienschrift: die Vorstellung
des ,großen Menschen' und des ,großen Ereignisses'. In UB IV WB ist damit
natürlich Richard Wagner als derjenige gemeint, der die Institution Bayreuth
inauguriert hat. Zugleich spielt N. auf die feierliche Eröffnung des Festspiel-
hauses an. Dabei zieht er alle Register einer pathosgeladenen Wort-Ouvertüre
und scheut auch vor hyperbolischen Assoziationen nicht zurück. So wählt er
keinen Geringeren als Alexander den Großen als Parameter für Wagners Größe.
Ja, Wagner erfährt in UB IV WB durch N. geradezu eine Apotheose: Die von
den Jüngern' bestaunte Heilstat seiner Kunst soll sogar der des wiederaufer-
standenen Christus gleichen (434, 3-4). Die Imagination einer Mysterienhand-