352 Richard Wagner in Bayreuth
Brief an Erwin Rohde auch auf sein komplizierter gewordenes Verhältnis zu
Wagner an und bekundet seine Unzufriedenheit mit der Schrift, indem er
erklärt: „Meine Betrachtung unter dem Titel ,Richard W. in Bayreuth' wird
nicht gedruckt, sie ist fast fertig, ich bin aber weit hinter dem zurück geblieben,
was ich von mir fordere; und so hat sie nur für mich den Werth einer neuen
Orientirung über den schwersten Punkt unserer bisherigen Erlebnisse. Ich ste-
he nicht darüber und sehe ein, dass mir selber die Orientirung nicht völlig
gelungen ist - geschweige denn dass ich andern helfen könnte!" (KSB 5,
Nr. 490, S. 119).
Anders äußert sich N. allerdings im Juli 1876 in dem ambivalenten und
zugleich auch etwas kryptischen Entwurf eines Briefes an Richard und Cosima
Wagner, in dem er die Übersendung der „zwei Festexemplare" von UB IV WB
ankündigen will (KSB 5, Nr. 536, S. 171-172): „Mir fällt gar nichts ein, was ich
hier, bevorwortend und befürwortend, zu Gunsten derselben sagen soll. Denn
immer überkommt mich ein Schauder, wenn ich bedenke, was ich gewagt
habe: es ist als ob ich wieder einmal mich selber aufs Spiel gesetzt hätte. Ich
bitte Sie auf das Herzlichste: lassen Sie geschehen sein was geschehen ist und
gewähren Sie einem, der sich nicht geschont hat, Ihr Mitleid und Ihr Schwei-
gen. / Diesmal bleibt mir nichts übrig als Sie zu bitten: lesen Sie diese Schrift
als ob sie nicht von Ihnen handelte und als ob sie nicht von mir wäre. Eigent-
lich ist über die Schrift in der von mir gewagten Art unter Lebenden nicht gut
zu reden: es ist etwas für die Unterwelt. / Wenn ich auf ein im Ganzen gequäl-
tes Jahr zurücksehe, so kommt es mir so vor als ob ich wirklich alle guten
Stunden desselben auf das Ausdenken und Ausarbeiten dieser Schrift gewen-
det hätte: heute ist es mein Stolz, auch diesem Zeiträume noch eine Frucht
abgewonnen zu haben." - Diese positive Wendung allerdings wird von N. nur
wenige Zeilen später in einer Anwandlung von Panik wieder zurückgenom-
men, wenn er „ein Grausen" verspürt, „fast als ob ich mich selber aufs
Spiel gesetzt hätte" (KSB 5, Nr. 536, S. 172). Kurz vor dem Ende dieses etwas
mysteriösen Briefentwurfs gebraucht er dann erneut den Begriff „Schauder",
um seine psychische Situation zu charakterisieren (ebd.).
Noch im selben Monat heißt es in einem weiteren Briefentwurf an Wagner:
„Wenn ich nur um ein weniges anders über Sie dächte, so würde <ich> diese
Schrift nicht veröffentlicht haben" (KSB 5, Nr. 537, S. 173). Und der Text endet
dann mit der (schon längst nicht mehr wahrheitsgemäßen) Schlussformel: „Mit
ganzem, vollen Herzen Ihnen zugehörig Fr. N." (KSB 5, Nr. 537, S. 173). Anfang
Juli 1876 schickt N. „eins der zwei Festexemplare meiner neuesten Schrift" an
Cosima Wagner und erklärt ihr mit devoter Emphase: „Sie werden aus ihr erse-
hen, daß ich es nicht aushielt, mich so einsam, aus der Ferne, auf das Große
Ungeheure dieses Sommers vorzubereiten, daß ich meine Freude mittheilen
Brief an Erwin Rohde auch auf sein komplizierter gewordenes Verhältnis zu
Wagner an und bekundet seine Unzufriedenheit mit der Schrift, indem er
erklärt: „Meine Betrachtung unter dem Titel ,Richard W. in Bayreuth' wird
nicht gedruckt, sie ist fast fertig, ich bin aber weit hinter dem zurück geblieben,
was ich von mir fordere; und so hat sie nur für mich den Werth einer neuen
Orientirung über den schwersten Punkt unserer bisherigen Erlebnisse. Ich ste-
he nicht darüber und sehe ein, dass mir selber die Orientirung nicht völlig
gelungen ist - geschweige denn dass ich andern helfen könnte!" (KSB 5,
Nr. 490, S. 119).
Anders äußert sich N. allerdings im Juli 1876 in dem ambivalenten und
zugleich auch etwas kryptischen Entwurf eines Briefes an Richard und Cosima
Wagner, in dem er die Übersendung der „zwei Festexemplare" von UB IV WB
ankündigen will (KSB 5, Nr. 536, S. 171-172): „Mir fällt gar nichts ein, was ich
hier, bevorwortend und befürwortend, zu Gunsten derselben sagen soll. Denn
immer überkommt mich ein Schauder, wenn ich bedenke, was ich gewagt
habe: es ist als ob ich wieder einmal mich selber aufs Spiel gesetzt hätte. Ich
bitte Sie auf das Herzlichste: lassen Sie geschehen sein was geschehen ist und
gewähren Sie einem, der sich nicht geschont hat, Ihr Mitleid und Ihr Schwei-
gen. / Diesmal bleibt mir nichts übrig als Sie zu bitten: lesen Sie diese Schrift
als ob sie nicht von Ihnen handelte und als ob sie nicht von mir wäre. Eigent-
lich ist über die Schrift in der von mir gewagten Art unter Lebenden nicht gut
zu reden: es ist etwas für die Unterwelt. / Wenn ich auf ein im Ganzen gequäl-
tes Jahr zurücksehe, so kommt es mir so vor als ob ich wirklich alle guten
Stunden desselben auf das Ausdenken und Ausarbeiten dieser Schrift gewen-
det hätte: heute ist es mein Stolz, auch diesem Zeiträume noch eine Frucht
abgewonnen zu haben." - Diese positive Wendung allerdings wird von N. nur
wenige Zeilen später in einer Anwandlung von Panik wieder zurückgenom-
men, wenn er „ein Grausen" verspürt, „fast als ob ich mich selber aufs
Spiel gesetzt hätte" (KSB 5, Nr. 536, S. 172). Kurz vor dem Ende dieses etwas
mysteriösen Briefentwurfs gebraucht er dann erneut den Begriff „Schauder",
um seine psychische Situation zu charakterisieren (ebd.).
Noch im selben Monat heißt es in einem weiteren Briefentwurf an Wagner:
„Wenn ich nur um ein weniges anders über Sie dächte, so würde <ich> diese
Schrift nicht veröffentlicht haben" (KSB 5, Nr. 537, S. 173). Und der Text endet
dann mit der (schon längst nicht mehr wahrheitsgemäßen) Schlussformel: „Mit
ganzem, vollen Herzen Ihnen zugehörig Fr. N." (KSB 5, Nr. 537, S. 173). Anfang
Juli 1876 schickt N. „eins der zwei Festexemplare meiner neuesten Schrift" an
Cosima Wagner und erklärt ihr mit devoter Emphase: „Sie werden aus ihr erse-
hen, daß ich es nicht aushielt, mich so einsam, aus der Ferne, auf das Große
Ungeheure dieses Sommers vorzubereiten, daß ich meine Freude mittheilen