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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0547
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520 Richard Wagner in Bayreuth

„Mittheilbarkeit" und „Verständlichkeit" zentrale Bedeutung erhalten. Nach
Wagners Auffassung soll die „Mittheilung" durch das alle Sinne stimulierende
Gesamtkunstwerk für die Rezipienten höchste Intensität bekommen. In diesem
Sinne spricht N. wenig später von „der höchsten Deutlichkeit", mit der sich
„das innere, eigenste Erlebniss" Wagners in seinen Werken offenbare (485, 5).
485, 15-18 Das Dichterische in Wagner zeigt sich darin, dass er in sichtba-
ren und fühlbaren Vorgängen, nicht in Begriffen denkt, das heisst, dass er my-
thisch denkt, so wie immer das Volk gedacht hat.] Vgl. dazu eine These, die
Richard Wagner in seiner Schrift Oper und Drama (1851) formuliert: „Im My-
thos erfaßt die gemeinsame Dichtungskraft des Volkes die Erscheinungen ge-
rade nur noch so, wie sie das leibliche Auge zu sehen vermag [...]" (GSD IV,
31). - Schopenhauer grenzt in seiner Ästhetik die abstrakte begriffliche Er-
kenntnis von der Auffassung der anschaulichen Ideen ab (vgl. WWV I, § 49,
Hü 276), die er als notwendige Voraussetzung künstlerischer Produktion be-
trachtet. Einen Sonderstatus schreibt er der Musik zu, weil sie als „eine im
höchsten Grad allgemeine Sprache" sämtliche Gefühle „gewissermaaßen in
abstracto" ausdrücken kann: nämlich deren Essenz, „ohne alles Beiwerk, also
auch ohne die Motive dazu" (WWV I, § 52, Hü 309). Zu Schopenhauers Musik-
ästhetik vgl. auch NK 457, 31 - 458, 2, NK 479, 12-14 und NK 485, 22-28.
485, 18-19 Dem Mythus liegt nicht ein Gedanke zu Grunde] Hier greift N. erneut
auf das Verständnis des „Mythos" zurück, das Wagner in mehreren theoreti-
schen Schriften zum Ausdruck bringt. Besonders konzentriert stellt Wagner
dieses Konzept in seiner Abhandlung „Zukunftsmusik" vor: „Als den idealen
Stoff des Dichters glaubte ich daher den ,Mythos' bezeichnen zu müssen, die-
ses ursprünglich namenlos entstandene Gedicht des Volkes, das wir zu allen
Zeiten von den großen Dichtern der vollendeten Kulturperioden immer wieder
neu behandelt antreffen; denn bei ihm verschwindet die konventionelle, nur
der abstrakten Vernunft erklärliche Form der menschlichen Verhältnisse fast
vollständig, um dafür nur das ewig Verständliche, rein Menschliche, aber eben
in der unnachahmlichen konkreten Form zu zeigen, welche jedem ächten My-
thos seine so schnell erkenntliche individuelle Gestalt verleiht" (GSD VII, 104-
105). In seiner Schrift Oper und Drama beschreibt Richard Wagner den „My-
thos" als „Anfang und Ende der Geschichte" (GSD IV, 91). - Mit der Vorstel-
lung vom „ursprünglich namenlos entstandene[n] Gedicht des Volkes", mit der
sein eigenes Verständnis des „Mythos" korrespondiert, erweist sich Wagner als
Erbe einer romantischen Ideologie des Volkes. Von Herder präformiert, war die
Idee des Volkes seit der Romantik durch die Volksmärchen-Sammlung der
Brüder Grimm, durch Görres' Sammlung von ,Volksbüchern' sowie durch
Sammlungen von Volksliedern' populär geworden, vor allem durch die von
 
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