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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0559
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532 Richard Wagner in Bayreuth

auf die ikonologische Bedeutung der um die heilige Cäcilia gruppierten Figu-
ren eingeht, behandelt anschließend Raffaels Transfiguration, die N. in der Ge-
burt der Tragödie erwähnt (vgl. KSA 1, 39, 12-17).
Raffaels Bild entstand während seiner Arbeit an den Fresken im Vatikan.
Es steht im Kontext anderer großer Altargemälde, zu denen die Madonna di
Foligno und die Sixtinische Madonna gehören. Das ursprünglich für den Altar
der Kirche San Giovanni in Monte in Bologna konzipierte Gemälde befindet
sich heute in der Pinacoteca Nazionale in Bologna. Die exponierte Rolle der
heiligen Cäcilia als Schutzpatronin der Musik, speziell der Kirchenmusik, be-
ruht weitgehend auf dem Ruhm von Raffaels Gemälde Die Verzückung der Heili-
gen Cäcilia. - Händel legte seinem Oratorium Alexander's Feast or the Power of
Music (1736) eine Ode von John Dryden (1697) zum Tag der hl. Cäcilie zugrun-
de. Kleist verfasste die (allerdings religionskritisch grundierte) Novelle Die hei-
lige Cäcilie oder die Gewalt der Musik. Eine Legende (1810). Und in Wacken-
roders Erzählung Das merkwürdige musikalische Leben des Tonkünstlers Joseph
Berglinger (1797) richtet der Protagonist ein fünfstrophiges Gedicht als Gebet
an die heilige Cäcilia.
In Schopenhauers Welt als Wille und Vorstellung I erhält Raffaels Gemälde
eine paradigmatische Bedeutung, und zwar in der Textpassage am Ende des
Dritten Buches, die zum Vierten Buch überleitet: Den Übergang von der Ästhe-
tik zur Ethik, von der Sphäre des Künstlers zu der des Heiligen, sieht Schopen-
hauer gerade durch „die heilige Cäcilie von Raphael" besonders eindrucksvoll
repräsentiert. Die Differenz zwischen ästhetischer Kontemplation und ethi-
scher Einstellung beschreibt er hier so: Dem Künstler wird die „reine, wahre
und tiefe Erkenntniß des Wesens der Welt" zum „Zweck an sich", so dass er
„bei ihr stehn" bleibt. „Daher wird sie ihm nicht, wie wir es im folgenden Bu-
che bei dem zur Resignation gelangten Heiligen sehn werden, Quietiv des Wil-
lens, erlöst ihn nicht auf immer, sondern nur auf Augenblicke vom Leben, und
ist ihm so noch nicht der Weg aus demselben, sondern nur einstweilen ein
Trost in demselben; bis seine dadurch gesteigerte Kraft, endlich des Spieles
müde, den Ernst ergreift. Als Sinnbild dieses Ueberganges kann man die hei-
lige Cäcilie von Raphael betrachten" (WWV I, § 52, Hü 316).
491, 5-8 Wenn der Philosoph sagt, es ist Ein Wille, der in der belebten und
unbelebten Natur nach Dasein dürstet, so fügt der Musiker hinzu: und dieser
Wille will, auf allen Stufen, ein tönendes Dasein.] Implizit bezieht sich N. hier
auf Schopenhauer, der in der Welt als Wille und Vorstellung den Willen als
Grundprinzip alles Seienden beschreibt, das nicht nur die vegetabilische und
animalische Natur, sondern auch die anorganische Natur durchwirkt. Den von
Bewusstsein und Besonnenheit begleiteten Willen des Menschen betrachtet
Schopenhauer im Rahmen seiner Willensmetaphysik lediglich als Spezialfall,
 
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