134 Morgenröthe
zieht"). Er vergleicht ihn mit dem ekstatischen Einweihungsereignis der Mys-
ten (τελέους τελετάς άε'ι τελούμενος; vgl. auch Phaidros 250 b 5-c 6; Phaidon
69 c 3-7; Symposion 210 a 1-2). Die Mysterien versprachen charismatische Ga-
ben, darunter den ekstatischen Zustand, der zur Verbindung mit dem Göttli-
chen in dessen „Schau" führe. Schon in den eleusinischen Mysterien galt die
„Schau" (έπόπτεια) als das Höchste und wurden die „Schauenden", die Epop-
ten, seliggepriesen - N. handelt davon in GT und verwendet sogar den Termi-
nus „Epopten" (KSA 1, 72, 25-34; vgl. NK 1/1, 72, 25-34).
Die Neuplatoniker gehen noch darüber hinaus, denn höchstes Ziel ist für
sie nicht mehr Platons Reich der (vielzähligen) Ideen, sondern das Göttlich-
Eine. Plotin spricht mehrfach von der ekstatischen Schau, besonders in Ennea-
den 4, 8, 1 ff., wo er von seinem eigenen ekstatischen Erlebnis erzählt: wie er
aus der Außenwelt heraustrat, dann eine wunderbare Schönheit schaute und
schließlich mit der Gottheit eins wurde. Selig sei, wem solche Schau zuteil
werde. Dies entspricht den Seligpreisungen der Mysterien. Auch Jesus preist
die Augen der Jünger selig, da sie sehend geworden seien und fähig, „die Mys-
terien des Gottesreiches zu erkennen" (γνώναι τά μυστήρια τής βασιλείας του
θεοϋ). Zur großen Menge aber spreche er nur in Gleichnissen (Lukas 8, 9 f.;
Lukas 10, 23; Matthäus 13, lO f. 16; vgl. Markus 4, 10 f.). Was N. als „System"
bezeichnet, das zum „Höhenziel" führen soll, ist schon in Platons Vorstellung
von einer Stufenleiter (ώσπερ έπαναβασμοΐς; Symposion 211 c) angelegt. In den
Mysterien führt die Stufenleiter vom Materiellen, mit dem die Seele noch behaf-
tet ist, über die Reinigung (κάθαρσις) zur Vereinigung (σύστασις) mit der Gott-
heit und zu deren Schau (έπόπτεια), schließlich zur Seligpreisung (μακα-
ρισμός).
Im 3. Jahrhundert griff das neuplatonische Denken auf das Christentum
über, und in den folgenden Jahrhunderten kam es zu einer systematischen
Schematisierung vom stufenweise sich vollziehenden Aufstieg sowohl im
nichtchristlichen (Proklos) wie im christlichen (Pseudo-Dionysius Areopagita)
Neuplatonismus. Schon im frühen Christentum dienten asketische Übungen
dazu, einen vom Irdischen freien, „reinen" Zustand zu schaffen, von dem aus
dann die Ekstase zu erreichen sei. Dazu gehörte besonders der Rückzug in die
Einsamkeit: die άναχώρησις. Hier liegt der Ursprung des frühchristlichen Ana-
choretentums, das im eremitischen Mönchtum (in der ägyptischen Wüste) sei-
ne Form fand und als radikale Nachfolge Christi gemäß dem Jüngerwort aus
Matth. 19 konzipiert war: „Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt".
Wesentlich war die asketische Abtötung alles Sinnlichen, denn sie sollte zur
Ekstase führen. Die technischen Ausdrücke der Askese wurden zum großen
Teil der griechischen Philosophie entlehnt, so dass auch in dieser Hinsicht
ein - wie N. sagt - „System" zu erkennen ist.
zieht"). Er vergleicht ihn mit dem ekstatischen Einweihungsereignis der Mys-
ten (τελέους τελετάς άε'ι τελούμενος; vgl. auch Phaidros 250 b 5-c 6; Phaidon
69 c 3-7; Symposion 210 a 1-2). Die Mysterien versprachen charismatische Ga-
ben, darunter den ekstatischen Zustand, der zur Verbindung mit dem Göttli-
chen in dessen „Schau" führe. Schon in den eleusinischen Mysterien galt die
„Schau" (έπόπτεια) als das Höchste und wurden die „Schauenden", die Epop-
ten, seliggepriesen - N. handelt davon in GT und verwendet sogar den Termi-
nus „Epopten" (KSA 1, 72, 25-34; vgl. NK 1/1, 72, 25-34).
Die Neuplatoniker gehen noch darüber hinaus, denn höchstes Ziel ist für
sie nicht mehr Platons Reich der (vielzähligen) Ideen, sondern das Göttlich-
Eine. Plotin spricht mehrfach von der ekstatischen Schau, besonders in Ennea-
den 4, 8, 1 ff., wo er von seinem eigenen ekstatischen Erlebnis erzählt: wie er
aus der Außenwelt heraustrat, dann eine wunderbare Schönheit schaute und
schließlich mit der Gottheit eins wurde. Selig sei, wem solche Schau zuteil
werde. Dies entspricht den Seligpreisungen der Mysterien. Auch Jesus preist
die Augen der Jünger selig, da sie sehend geworden seien und fähig, „die Mys-
terien des Gottesreiches zu erkennen" (γνώναι τά μυστήρια τής βασιλείας του
θεοϋ). Zur großen Menge aber spreche er nur in Gleichnissen (Lukas 8, 9 f.;
Lukas 10, 23; Matthäus 13, lO f. 16; vgl. Markus 4, 10 f.). Was N. als „System"
bezeichnet, das zum „Höhenziel" führen soll, ist schon in Platons Vorstellung
von einer Stufenleiter (ώσπερ έπαναβασμοΐς; Symposion 211 c) angelegt. In den
Mysterien führt die Stufenleiter vom Materiellen, mit dem die Seele noch behaf-
tet ist, über die Reinigung (κάθαρσις) zur Vereinigung (σύστασις) mit der Gott-
heit und zu deren Schau (έπόπτεια), schließlich zur Seligpreisung (μακα-
ρισμός).
Im 3. Jahrhundert griff das neuplatonische Denken auf das Christentum
über, und in den folgenden Jahrhunderten kam es zu einer systematischen
Schematisierung vom stufenweise sich vollziehenden Aufstieg sowohl im
nichtchristlichen (Proklos) wie im christlichen (Pseudo-Dionysius Areopagita)
Neuplatonismus. Schon im frühen Christentum dienten asketische Übungen
dazu, einen vom Irdischen freien, „reinen" Zustand zu schaffen, von dem aus
dann die Ekstase zu erreichen sei. Dazu gehörte besonders der Rückzug in die
Einsamkeit: die άναχώρησις. Hier liegt der Ursprung des frühchristlichen Ana-
choretentums, das im eremitischen Mönchtum (in der ägyptischen Wüste) sei-
ne Form fand und als radikale Nachfolge Christi gemäß dem Jüngerwort aus
Matth. 19 konzipiert war: „Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt".
Wesentlich war die asketische Abtötung alles Sinnlichen, denn sie sollte zur
Ekstase führen. Die technischen Ausdrücke der Askese wurden zum großen
Teil der griechischen Philosophie entlehnt, so dass auch in dieser Hinsicht
ein - wie N. sagt - „System" zu erkennen ist.