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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0158
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Stellenkommentar Erstes Buch, KSA 3, S. 53-56 143

4, 19, 6 f.: „So will ich ihnen vom Verächtlichsten sprechen: das aber ist der
letzte Mensch").

50
54, 22 Der Glaube an den Rausch.] Schon im ersten Kapitel seiner Ge-
burt der Tragödie richtet sich N.s Aufmerksamkeit besonders auf den Rausch,
da dieser zu Dionysos als dem Gott der Tragödie gehört. Dementsprechend be-
kennt er sich in seiner Erstlingsschrift zum dionysischen Rausch. Er ist ein
Hauptelement in seiner Konzeption des ,Dionysischen'. Vor diesem Hinter-
grund erscheint die Absage an rauschhafte und ekstatische Zustände im vorlie-
genden Text als Revision des Frühwerks, wie sie sich auch in zahlreichen ande-
ren Bereichen abzeichnet. Dass N. den „Glauben an den Rausch" mit der Ab-
nützung der „Nervenkräfte" (54, 25) und mit der „Welt-Müdigkeit" (55, 5) in
Zusammenhang bringt, deutet schon hier auf die im Spätwerk dominante Diag-
nose der Decadence voraus. Zum „Rausch" vgl. auch M 52.

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55, 26 So wie wir noch sind!] „,Seien wir nachsichtig gegen die grossen
Einäugigen!' - hat Stuart Mill gesagt". N. besaß in seiner persönlichen Biblio-
thek eine ganze Reihe von Mills Werken. Er studierte sie intensiv, wie die zahl-
reichen Lesespuren zeigen. Immer wieder setzte er sich mit Mills liberalen Ide-
en und mit seiner auf das Nützlichkeitsprinzip gegründeten Ethik auseinander.
Das Zitat stammt aus John Stuart Mill: Vermischte Schriften politischen, philoso-
phischen und historischen Inhalts. Der nur sinngemäß zitierte Ausspruch Mills
steht in seinem Aufsatz über Bentham. Dort heißt es: „Wir unsererseits üben
die umfassendste Nachsicht gegen große Einäugige, - gegen Jene, die nur ein
Auge aber ein durchdringendes besitzen; hätten sie mehr gesehen, so würden
sie wahrscheinlich nicht so genau gesehen, nicht so eifrig eine und dieselbe
Richtung der Forschung verfolgt haben" (Mill 1874b, 158; Nachweis: Brobjer
2008, 304).
52
56, 2 Wo sind die neuen Ärzte der Seele?] Vgl. hierzu den Überblicks-
kommentar S. 33 f.
 
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