266 Morgenröthe
Guyon [...] Da steht der Gründer der Trappistenklöster"; 165, 19-166, 2) reiht
er - da es um das christliche Frankreich geht - entsprechende Gestalten auf.
Bei Martensen heißt es: „In Wirklichkeit ist [die uneigennützige Liebe]
nichts Anderes, als die reine [...] Contemplation, freilich in der Gestalt der Mys-
tik. Um dieser mystischen Gestalt willen erscheint sie, wie bei den großen Mys-
tikern des Mittelalters, so auch bei Fenelon, mit jenem überirdischen, himmli-
schen Ausdrucke, welcher eine so fesselnde und bezaubernde Macht ausübt"
(Martensen, 413). Über den Gründer der Trappistenklöster schreibt Martensen:
„Bei den hervorragenden asketischen Charakteren [...] gewahren wir freilich
ein tiefes Gefühl der Eitelkeit und Nichtigkeit des Erdenlebens [...] und eine
bewunderungswürdige, an's Unmenschliche grenzende Willensenergie in welt-
verachtender, abtödtender Richtung, eine großartige, opferbereite Ausdauer
im Gehorsam. Einen solchen Charakter müssen wir [...] in jenem Jean le Bou-
thillier de Rance (1626-1700) bewundern, welcher, merkwürdig genug, gerade
in Frankreich, mitten unter einem Volke, das so oft nach seiner Sinnlichkeit,
Leichtfertigkeit und Genußsucht geschildert wird, die Askese uns auf ihrem
Höhepunkte zeigt. Nach einem Leben in Weltlust [...] und nach wüsten Aus-
schweifungen [...], öffnen sich ihm plötzlich die Augen für die Illusion, in wel-
cher er dahin gelebt hat. Er versenkt sich in das Gefühl des großen Nichts aller
Erdendinge und der Schrecken der Ewigkeit [...]; er gründet die rigoristische
Ordensregel für die Abtei la Trappe. Was wir in dieser Regel bewundern, ist
die formale Willensenergie: wenn die Brüder [...] täglich elf Stunden verwen-
den auf Gebetsübungen [...], die übrige Zeit aber auf anstrengende, harte Ar-
beit, ohne daß sie im Kloster oder auf dem Felde ein einziges Wort mit einander
wechseln dürfen, außer dem eintönigen Gruße: Memento mori" (Martensen,
379 f.). Über Madame Guyon schreibt Martensen: „Dieses ,Hinausgehen über'
die Sünde und die Gnade, zeigt sich namentlich bei der Frau von Guyon, wenn
sie erklärt, nicht mehr beten zu können: ,Vergieb uns unsere Schuld'; denn sie
liebe Gott in vollkommener Selbstvergessenheit" (Martensen, 421; Hinweise:
Orsucci 1996, 174 ff.).
Bei der Nennung Pascals geht N. nicht darauf ein, dass er diesen in ande-
ren Texten der Morgenröthe mit aufklärerisch-kritischer Absicht als Opfer des
zur Selbstquälerei führenden christlichen Sündenbewusstseins dargestellt hat-
te. Die rühmende Hervorhebung nicht nur von Pascals „Gluth" und „Geist",
sondern auch seiner „Redlichkeit" (165, 19 f.) revidiert N. jedoch in dem nach-
gelassenen Notat 8[31]: „Pascal rieth, sich an das Christenthum zu gewöhnen,
man werde spüren, daß die Leidenschaften schwinden. Dies heißt: seine Un-
redlichkeit sich bezahlt machen und sich ihrer freuen". N. bezieht sich damit
auf folgenden Rat Pascals: „Ihr wollt zum Glauben gehen, und wißt den Weg
nicht; Ihr wollt Euch vom Unglauben heilen, und fordert die Heilmittel: so
laßt Euch von denen rathen, die wie Ihr gebunden waren, und die jetzt all
Guyon [...] Da steht der Gründer der Trappistenklöster"; 165, 19-166, 2) reiht
er - da es um das christliche Frankreich geht - entsprechende Gestalten auf.
Bei Martensen heißt es: „In Wirklichkeit ist [die uneigennützige Liebe]
nichts Anderes, als die reine [...] Contemplation, freilich in der Gestalt der Mys-
tik. Um dieser mystischen Gestalt willen erscheint sie, wie bei den großen Mys-
tikern des Mittelalters, so auch bei Fenelon, mit jenem überirdischen, himmli-
schen Ausdrucke, welcher eine so fesselnde und bezaubernde Macht ausübt"
(Martensen, 413). Über den Gründer der Trappistenklöster schreibt Martensen:
„Bei den hervorragenden asketischen Charakteren [...] gewahren wir freilich
ein tiefes Gefühl der Eitelkeit und Nichtigkeit des Erdenlebens [...] und eine
bewunderungswürdige, an's Unmenschliche grenzende Willensenergie in welt-
verachtender, abtödtender Richtung, eine großartige, opferbereite Ausdauer
im Gehorsam. Einen solchen Charakter müssen wir [...] in jenem Jean le Bou-
thillier de Rance (1626-1700) bewundern, welcher, merkwürdig genug, gerade
in Frankreich, mitten unter einem Volke, das so oft nach seiner Sinnlichkeit,
Leichtfertigkeit und Genußsucht geschildert wird, die Askese uns auf ihrem
Höhepunkte zeigt. Nach einem Leben in Weltlust [...] und nach wüsten Aus-
schweifungen [...], öffnen sich ihm plötzlich die Augen für die Illusion, in wel-
cher er dahin gelebt hat. Er versenkt sich in das Gefühl des großen Nichts aller
Erdendinge und der Schrecken der Ewigkeit [...]; er gründet die rigoristische
Ordensregel für die Abtei la Trappe. Was wir in dieser Regel bewundern, ist
die formale Willensenergie: wenn die Brüder [...] täglich elf Stunden verwen-
den auf Gebetsübungen [...], die übrige Zeit aber auf anstrengende, harte Ar-
beit, ohne daß sie im Kloster oder auf dem Felde ein einziges Wort mit einander
wechseln dürfen, außer dem eintönigen Gruße: Memento mori" (Martensen,
379 f.). Über Madame Guyon schreibt Martensen: „Dieses ,Hinausgehen über'
die Sünde und die Gnade, zeigt sich namentlich bei der Frau von Guyon, wenn
sie erklärt, nicht mehr beten zu können: ,Vergieb uns unsere Schuld'; denn sie
liebe Gott in vollkommener Selbstvergessenheit" (Martensen, 421; Hinweise:
Orsucci 1996, 174 ff.).
Bei der Nennung Pascals geht N. nicht darauf ein, dass er diesen in ande-
ren Texten der Morgenröthe mit aufklärerisch-kritischer Absicht als Opfer des
zur Selbstquälerei führenden christlichen Sündenbewusstseins dargestellt hat-
te. Die rühmende Hervorhebung nicht nur von Pascals „Gluth" und „Geist",
sondern auch seiner „Redlichkeit" (165, 19 f.) revidiert N. jedoch in dem nach-
gelassenen Notat 8[31]: „Pascal rieth, sich an das Christenthum zu gewöhnen,
man werde spüren, daß die Leidenschaften schwinden. Dies heißt: seine Un-
redlichkeit sich bezahlt machen und sich ihrer freuen". N. bezieht sich damit
auf folgenden Rat Pascals: „Ihr wollt zum Glauben gehen, und wißt den Weg
nicht; Ihr wollt Euch vom Unglauben heilen, und fordert die Heilmittel: so
laßt Euch von denen rathen, die wie Ihr gebunden waren, und die jetzt all