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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0378
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Stellenkommentar Viertes Buch, KSA 3, S. 255-256 363

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256, 2 Wo ist der schlimmste Feind?] Zur Psychologie des Hasses vgl.
auch Μ 411.
417
256, 11 Gränze aller Demuth.] Der bekannte Spruch „credo quia absur-
dum est" („ich glaube, weil es absurd ist", d. h.: gegen die Vernunft, widersin-
nig), wird Tertullian zugeschrieben. Das Zitat fand N. bei Friedrich Ueberweg
1866 (a), 2. Theil, 49. Ueberweg schreibt in seiner Darstellung Tertullians: „Sei-
ne antiphilosophische Richtung culminirt in dem Satze: credo quia absurdum
est". In Tertullians Schrift De carne Christi, cap. 5 heißt es mit pointierten Para-
doxien: „crucifixus est dei filius; non pudet quia pudendum est. Et mortuus
est dei filius; credibile prorsus est, quia ineptum est. Et sepultus resurrexit;
certum est, quia impossibile" („Gekreuzigt wurde Gottes Sohn; es ist keine
Schande, denn es ist schändlich. Gestorben ist Gottes Sohn; es ist weiterhin
glaubenswert, weil es widersinnig ist. Und obwohl er begraben wurde, ist er
auferstanden; es ist gewiss, denn es ist unmöglich"). Die Variation N.s „credo
quia absurdus sum" („ich glaube, weil ich absurd bin") lässt sich kaum über-
setzen; im wörtlichen Verständnis besagt sie: „ich glaube [an mich], weil ich
mich selbst als widersinnig empfinde", im gemeinten Sinn soll sie aber heißen:
„ich glaube, weil ich mein Dasein als absurd (sinnlos) empfinde". In diesem
Verständnis wäre der Glaube das einzige Mittel, um die Sinnlosigkeit des Da-
seins zu kompensieren - sofern man einen ,Sinn' sucht statt ohne diese Aspira-
tion zu leben.

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256, 17 Wahrspielerei.] Das „Talent als Schauspieler" beobachtete N. vor
allem bei Wagner, aber er reflektierte es auch im Hinblick auf sich selbst und
seine Projektionsfigur Zarathustra.
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256, 23 Muth in der Partei.] Ein Reflex der Erfahrungen, die N. selbst in
der Zeit seiner unbedingten Wagner-Verehrung als Protagonist und Organisator
einer Wagner-„Partei" gemacht hatte. Seine Briefe aus dieser Zeit zeugen von
dieser Rolle.
 
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