Metadaten

Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0483
Lizenz: In Copyright
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
468 Idyllen aus Messina

te von/bis Nietzsche' (vgl. etwa Muschg 1945, Schickele 1948, Stöcker 1969 u.
Kirsten 2010). Eine historisch-kritische Gesamtausgabe von N.s Gedichten ist
freilich nach wie vor ein Desiderat (hierzu Groddeck 1991b).
Der Vielzahl von (Lese-)Ausgaben von N.s Gedichten und ihrer Aufnah-
me - mit hervorgehobener Position von N.s Namen als Epochenmarker - in
Anthologien bis in die jüngste Vergangenheit korrespondiert schon früh eine
teils außerordentliche Wertschätzung seiner lyrischen Produktionen. So
schwärmt nicht nur Elisabeth Förster-Nietzsche von der „höchsten Erhebung
des dichterischen Geistes" in den ,reifen' Gedichten ihres Bruders, sondern
ganz ähnlich meint ebenfalls Kläre Buchmann im Nachwort zu der von ihr
besorgten „Feldauswahl", N. sei „einer der größten Lyriker deutscher Sprache"
(Buchmann 1944, 90). An dieser Ansicht wird auch in der neueren Forschung
festgehalten. Breuer 1981, 242 etwa attestiert N., mit seinen Gedichten „strenge
Maßstäbe" für die moderne Lyrik aufgestellt zu haben, an denen sich lyrische
Texte „im 20. Jahrhundert [...] messen lassen" müssen. Ähnlich enthusiastisch
äußern sich Riedel 1998, 64, nach dessen Einschätzung, N. der „moderne[n]
Lyrik [...] den Weg bereitet" hat, sowie Meyer 1993, 118, der betont: „Nietzsche
ist ein bedeutender Lyriker, ja, er hat eine Reihe von Gedichten geschrieben,
die zu den Marksteinen der deutschen Lyrikgeschichte gehören." (Zur Wirkung
N.s auf die Lyrik der klassischen Moderne vgl. auch Kray/Riha 1994, 146-150.)
Selbst dort, wo in neueren Publikationen zu N.s Lyrik mitunter skeptische Töne
laut werden, bleibt diese Wertung im Prinzip bestehen. So urteilt beispielswei-
se zwar Schirnding, 1994, 223, dass die „Größe Nietzsches [...] nicht in seinem
Gesang, sondern in seiner Rede" liege, und schränkt die Zahl „der vollkomme-
nen Gedichte[], die von seiner Hand stammen" auf „zwölf oder fünfzehn" ein
(ohne dies allerdings weiter zu präzisieren), spricht mit Blick auf diese aber
von einem „Hauch von Unsterblichkeit". Und Mayer 2010, 174 räumt zwar
ebenfalls in diesem Sinne, wenngleich rhetorisch abgeschwächt durch eine Li-
totes ein, dass N. „nicht in allen Fällen [...], ungeachtet des stilistischen Glan-
zes, geschmacklich ganz sicher gewesen wäre", weist ihm jedoch trotzdem
„seinen dauerhaften Platz in der Geschichte der Lyrik" zu (Mayer 2010, 186).
Gleichwohl fällt an solchen einschränkenden Aussagen ein gewisser Vor-
behalt zumindest gegenüber einem Teil, wenn nicht gar gegenüber dem Groß-
teil von N.s lyrischem Schaffen auf, der von den erwähnten Versuchen Abstand
nimmt, N. vorbehaltlos zu den bedeutendsten Lyrikern deutscher Sprache zu
zählen. Als früher prominenter Vertreter jener kritischeren Wertung kann Tho-
mas Mann gelten, der in seinem Essay Nietzsches Philosophie im Lichte unserer
Erfahrung von 1947 N.s dichterische bzw. lyrische Begabung bereits ein Stück
weit in Abrede stellte. Mann weist dort den von N. in EH für sich erhobenen
Anspruch auf eine singuläre ,dichterische Inspiration' mit den Worten zurück:
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften