28 Die fröhliche Wissenschaft
(Mautner 1933, 132), mit genaueren historischen und systematischen Bestim-
mungsversuchen entgegentrat, die Frage aufwerfen: „Warum ist durchaus so
zweifelhaft geblieben, ob Nietzsche zu den Aphoristikern gezählt wird oder
nicht?" (Mautner 1933, 133) Dass diese Frage bis heute „zweifelhaft geblieben"
ist, zeigen beispielsweise die konträren Einschätzungen von Stegmaier 2012b,
10-12 und Schmidt (2015) in NK 3/1, S. 24-28.
Zuordnungsprobleme ergeben sich aber auch, wenn man sich an aktuellere
literaturwissenschaftliche Definitionen des ,Aphorismus' hält, die im Zuge des
intensivierten Forschungsinteresses an dieser Textsorte im ausgehenden
20. Jahrhundert aufgestellt worden und bis heute im Umlauf geblieben sind.
Besonders einflussreich war und ist der Definitionsversuch Harald Frickes, der
sich spätestens durch dessen Artikel „Aphorismus" im Reallexikon der deut-
schen Literaturwissenschaft (vgl. Fricke 1997, 104) als kanonische Definition
etablierte; mit gewissen Einschränkungen folgen ihm die meisten späteren lite-
raturwissenschaftlichen Arbeiten zum Aphorismus. Frickes normative Definiti-
on, die teilweise ältere Bestimmungen aufgreift, lautet: „Ein Aphorismus ist
ein kotextuell isoliertes Element einer Kette von schriftlichen Sachprosatexten,
das in einem verweisungsfähigen Einzelsatz bzw. in konziser Weise formuliert
oder auch sprachlich bzw. sachlich pointiert ist." (Fricke 1984, 18) Damit unter-
scheidet er, wie schon an dieser Formulierungsweise deutlich wird, im Einzel-
nen „die drei notwendigen Merkmale ,Kotextuelle Isolation', ,Prosaform' und
,Nicht-Fiktionalität'", die allesamt erfüllt sein müssen, und die „vier alternati-
ven Merkmale ,Einzelsatz', ,Konzision', ,Sprachliche Pointe' und ,Sachliche
Pointe'", wobei von diesen alternativen Merkmalen „wenigstens eines [...] in
jedem Aphorismus vorhanden" sein muss (ebd., 14). Verbindlich bleibt Frickes
strenge Definition des Aphorismus - teils mit geringfügigen Modifikationen -
u. a. für Helmich 1991, 11-14; Lamping 1991; Fedler 1992, 25-39 u. 182-185; La-
singer 2000, 17-19; Zymner 2002, 31 f. Auch Martin Stingelin definiert im
„Aphorismus"-Artikel des Nietzsche-Handbuchs (NH) „Aphorismen im engeren
Sinn" mit Fricke als „nichtfiktionale, kontextuell [sic] voneinander isolierte,
konzis formulierte und sprachlich bzw. sachlich pointierte Prosatexte" und
sieht dies uneingeschränkt eingelöst durch „die selbständigen Sammlungen
Menschliches, Allzumenschliches, Morgenröthe und Fröhliche Wissenschaft so-
wie die ,Sprüche und Zwischenspiele' aus Jenseits von Gut und Böse und die
,Sprüche und Pfeile' aus Götzen-Dämmerung" (Stingelin in NH 186).
Ohne die von Stingelin zugrunde gelegte Definition Frickes an dieser Stelle
grundsätzlich kritisieren oder korrigieren zu wollen (vgl. dazu etwa Spicker
1997, llf. u. Ullmaier 2001, 259-271), ist die pauschale Zuordnung von FW -
sowie der ,Vorgängerwerke' MA und M - zu dieser Gattungsdefinition doch in
Frage zu stellen. Dies betrifft keineswegs nur die in FW (wie auch in geringe-
(Mautner 1933, 132), mit genaueren historischen und systematischen Bestim-
mungsversuchen entgegentrat, die Frage aufwerfen: „Warum ist durchaus so
zweifelhaft geblieben, ob Nietzsche zu den Aphoristikern gezählt wird oder
nicht?" (Mautner 1933, 133) Dass diese Frage bis heute „zweifelhaft geblieben"
ist, zeigen beispielsweise die konträren Einschätzungen von Stegmaier 2012b,
10-12 und Schmidt (2015) in NK 3/1, S. 24-28.
Zuordnungsprobleme ergeben sich aber auch, wenn man sich an aktuellere
literaturwissenschaftliche Definitionen des ,Aphorismus' hält, die im Zuge des
intensivierten Forschungsinteresses an dieser Textsorte im ausgehenden
20. Jahrhundert aufgestellt worden und bis heute im Umlauf geblieben sind.
Besonders einflussreich war und ist der Definitionsversuch Harald Frickes, der
sich spätestens durch dessen Artikel „Aphorismus" im Reallexikon der deut-
schen Literaturwissenschaft (vgl. Fricke 1997, 104) als kanonische Definition
etablierte; mit gewissen Einschränkungen folgen ihm die meisten späteren lite-
raturwissenschaftlichen Arbeiten zum Aphorismus. Frickes normative Definiti-
on, die teilweise ältere Bestimmungen aufgreift, lautet: „Ein Aphorismus ist
ein kotextuell isoliertes Element einer Kette von schriftlichen Sachprosatexten,
das in einem verweisungsfähigen Einzelsatz bzw. in konziser Weise formuliert
oder auch sprachlich bzw. sachlich pointiert ist." (Fricke 1984, 18) Damit unter-
scheidet er, wie schon an dieser Formulierungsweise deutlich wird, im Einzel-
nen „die drei notwendigen Merkmale ,Kotextuelle Isolation', ,Prosaform' und
,Nicht-Fiktionalität'", die allesamt erfüllt sein müssen, und die „vier alternati-
ven Merkmale ,Einzelsatz', ,Konzision', ,Sprachliche Pointe' und ,Sachliche
Pointe'", wobei von diesen alternativen Merkmalen „wenigstens eines [...] in
jedem Aphorismus vorhanden" sein muss (ebd., 14). Verbindlich bleibt Frickes
strenge Definition des Aphorismus - teils mit geringfügigen Modifikationen -
u. a. für Helmich 1991, 11-14; Lamping 1991; Fedler 1992, 25-39 u. 182-185; La-
singer 2000, 17-19; Zymner 2002, 31 f. Auch Martin Stingelin definiert im
„Aphorismus"-Artikel des Nietzsche-Handbuchs (NH) „Aphorismen im engeren
Sinn" mit Fricke als „nichtfiktionale, kontextuell [sic] voneinander isolierte,
konzis formulierte und sprachlich bzw. sachlich pointierte Prosatexte" und
sieht dies uneingeschränkt eingelöst durch „die selbständigen Sammlungen
Menschliches, Allzumenschliches, Morgenröthe und Fröhliche Wissenschaft so-
wie die ,Sprüche und Zwischenspiele' aus Jenseits von Gut und Böse und die
,Sprüche und Pfeile' aus Götzen-Dämmerung" (Stingelin in NH 186).
Ohne die von Stingelin zugrunde gelegte Definition Frickes an dieser Stelle
grundsätzlich kritisieren oder korrigieren zu wollen (vgl. dazu etwa Spicker
1997, llf. u. Ullmaier 2001, 259-271), ist die pauschale Zuordnung von FW -
sowie der ,Vorgängerwerke' MA und M - zu dieser Gattungsdefinition doch in
Frage zu stellen. Dies betrifft keineswegs nur die in FW (wie auch in geringe-