Überblickskommentar 41
Themen „Frauen" und „Künstler". Dieser Sujet-Kombination liegt die Vorstel-
lung einer unter anderem im Bildfeld von Empfängnis, Schwangerschaft, Ge-
burt, aber auch von Schönheitssinn und Eitelkeit zum Ausdruck kommenden
Wesensverwandtschaft zwischen beiden Personengruppen zugrunde (vgl. Viva-
relli 2015, 76 f.). N. ist keineswegs der erste Autor, bei dem sich diese Vorstel-
lung findet; anekdotisch zugeschrieben wurde sie z. B. bereits in der - etwas
engeren, poetologischen - Fassung „Dichter sind wie Frauen" (Anonym 1852,
14) dem im Zweiten Buch (FW 94) eigens gewürdigten französischen Aufklä-
rungsschriftsteller Bernard le Bovier de Fontenelle. Auf drei einleitende Ab-
schnitte, in denen es um die Fiktionalität der Wirklichkeit, um Künstler (zu
denen sich das sprechende Ich/Wir selbst zählt) und ihr Liebesverhalten geht
(FW 57-59), folgen in FW II Reflexionen über Frauen, Freundschaft, Liebe und
Zeugung (FW 60-75), bevor mit dem letzten, umfangreichsten Teil (FW 76-107)
wieder die „Künstler und Dichter" (432, 11) ins Zentrum der Aufmerksamkeit
rücken. Neben allgemeineren, übergreifenden Abschnitten zur Kunst bzw.
Dichtung, zu ihrem Werk- und Objektbegriff (FW 79, FW 85), ihren Entste-
hungsbedingungen (FW 92, FW 93, FW 97) sowie zu ihrer ,heutigen' Funktion
(FW 107), richtet sich der oft kritische Blick auf besondere Kunstformen und
-gattungen wie Theater (FW 78, FW 86) und Musik (FW 103, FW 106), Epochen
und Kulturen wie die griechische und römische Antike (FW 80-84), die franzö-
sische Aufklärung (FW 82, FW 94, FW 95, FW 101) und die deutsche Gegenwart
des ausgehenden 19. Jahrhunderts (FW 103-105), nicht zuletzt auch auf einzel-
ne Künstler- und Dichterpersönlichkeiten wie Shakespeare (FW 98), Voltaire
(FW 101) oder Richard Wagner (FW 99).
Das mit 168 Abschnitten (FW 108-275) an Einzeltexten (wenn auch nicht
an Druckseiten) deutlich am umfangsreichten ausfallende Dritte Buch, im
Werkplan vom Frühling 1882 noch „Gedanken eines Gottlosen" (Μ III 6, 25)
betitelt, nimmt seinen Ausgang von der Behauptung „Gott ist todt" (467, 5),
wendet sich zunächst aber (FW 109-113) den Themengebieten der Kosmologie,
Erkenntnistheorie und Logik zu, um in diesbezüglichen philosophisch-wissen-
schaftlichen ,Vorurteilen' kritisch den langen „Schatten" (467, 7 u. 469, 1) des
,toten Gottes' zu verfolgen, von dem der Eröffnungs-Abschnitt FW 108 spricht
(hierzu vgl. Stegmaier 2010a, 9 und Schacht 2015, 88-94, der dieses Verfahren
auf den Begriff des „naturalizing" bringt), aber auch um generell die Irrtüm-
lichkeit des bisherigen menschlichen Denkens herauszustellen. Über eine Rei-
he von Abschnitten zur ,Genealogie' von Moral- und Tugendkonzepten (FW
114-120) verschiebt sich der Fokus schließlich auf den ,Tod Gottes' sowie auf
die Geschichte des Christentums und der Religion überhaupt; die entsprechen-
den Abschnitte FW 122-153, unter denen der fiktionale Erzähltext FW 125 („Der
tolle Mensch") wirkungsgeschichtlich herausragt (in dem nicht etwa N., son-
Themen „Frauen" und „Künstler". Dieser Sujet-Kombination liegt die Vorstel-
lung einer unter anderem im Bildfeld von Empfängnis, Schwangerschaft, Ge-
burt, aber auch von Schönheitssinn und Eitelkeit zum Ausdruck kommenden
Wesensverwandtschaft zwischen beiden Personengruppen zugrunde (vgl. Viva-
relli 2015, 76 f.). N. ist keineswegs der erste Autor, bei dem sich diese Vorstel-
lung findet; anekdotisch zugeschrieben wurde sie z. B. bereits in der - etwas
engeren, poetologischen - Fassung „Dichter sind wie Frauen" (Anonym 1852,
14) dem im Zweiten Buch (FW 94) eigens gewürdigten französischen Aufklä-
rungsschriftsteller Bernard le Bovier de Fontenelle. Auf drei einleitende Ab-
schnitte, in denen es um die Fiktionalität der Wirklichkeit, um Künstler (zu
denen sich das sprechende Ich/Wir selbst zählt) und ihr Liebesverhalten geht
(FW 57-59), folgen in FW II Reflexionen über Frauen, Freundschaft, Liebe und
Zeugung (FW 60-75), bevor mit dem letzten, umfangreichsten Teil (FW 76-107)
wieder die „Künstler und Dichter" (432, 11) ins Zentrum der Aufmerksamkeit
rücken. Neben allgemeineren, übergreifenden Abschnitten zur Kunst bzw.
Dichtung, zu ihrem Werk- und Objektbegriff (FW 79, FW 85), ihren Entste-
hungsbedingungen (FW 92, FW 93, FW 97) sowie zu ihrer ,heutigen' Funktion
(FW 107), richtet sich der oft kritische Blick auf besondere Kunstformen und
-gattungen wie Theater (FW 78, FW 86) und Musik (FW 103, FW 106), Epochen
und Kulturen wie die griechische und römische Antike (FW 80-84), die franzö-
sische Aufklärung (FW 82, FW 94, FW 95, FW 101) und die deutsche Gegenwart
des ausgehenden 19. Jahrhunderts (FW 103-105), nicht zuletzt auch auf einzel-
ne Künstler- und Dichterpersönlichkeiten wie Shakespeare (FW 98), Voltaire
(FW 101) oder Richard Wagner (FW 99).
Das mit 168 Abschnitten (FW 108-275) an Einzeltexten (wenn auch nicht
an Druckseiten) deutlich am umfangsreichten ausfallende Dritte Buch, im
Werkplan vom Frühling 1882 noch „Gedanken eines Gottlosen" (Μ III 6, 25)
betitelt, nimmt seinen Ausgang von der Behauptung „Gott ist todt" (467, 5),
wendet sich zunächst aber (FW 109-113) den Themengebieten der Kosmologie,
Erkenntnistheorie und Logik zu, um in diesbezüglichen philosophisch-wissen-
schaftlichen ,Vorurteilen' kritisch den langen „Schatten" (467, 7 u. 469, 1) des
,toten Gottes' zu verfolgen, von dem der Eröffnungs-Abschnitt FW 108 spricht
(hierzu vgl. Stegmaier 2010a, 9 und Schacht 2015, 88-94, der dieses Verfahren
auf den Begriff des „naturalizing" bringt), aber auch um generell die Irrtüm-
lichkeit des bisherigen menschlichen Denkens herauszustellen. Über eine Rei-
he von Abschnitten zur ,Genealogie' von Moral- und Tugendkonzepten (FW
114-120) verschiebt sich der Fokus schließlich auf den ,Tod Gottes' sowie auf
die Geschichte des Christentums und der Religion überhaupt; die entsprechen-
den Abschnitte FW 122-153, unter denen der fiktionale Erzähltext FW 125 („Der
tolle Mensch") wirkungsgeschichtlich herausragt (in dem nicht etwa N., son-