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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0067
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44 Die fröhliche Wissenschaft

Wie das Vierte Buch weist im Gegensatz zu FW I-III auch das erst in der
erweiterten Neuausgabe von 1887 hinzugekommene, aus 41 Abschnitten (FW
343-383) bestehende Fünfte Buch einen Titel auf: „Wir Furchtlosen". Auch
wenn N. zwischenzeitlich zweifelte, ob FW V nicht besser in JGB zu integrieren
gewesen wäre (vgl. ÜK 1), fügen sich die darin enthaltenen Abschnitte den
vorangehenden vier ,Büchern' thematisch doch gut an. Ungeachtet der neue-
ren Forschungstendenz, das Fünfte Buch gleichsam als eigenständiges Werk
zu betrachten (vgl. Stegmaier 2012b, Scheier 2013b, Sommer 2016a), wirkt es
keineswegs wie ein Fremdkörper in der Gesamtkomposition von FW, sondern
erweist sich mit dem Rest dieser Schrift durchaus eng verzahnt. Gleich der er-
öffnende Abschnitt FW 343 greift mit dem ,Tod Gottes' ein zentrales Thema des
Dritten Buchs wieder auf und verknüpft es mit dem das Vierte Buch - wenn-
gleich in gebrochenen Formen - durchziehenden Motiv der Heiterkeit. Zu-
gleich klingt hierbei schon ein weiteres Motiv an, dass zwar bereits in den
Büchern I-IV immer mal wieder vorkam, dem in FW V jedoch ein besonders
prominenter Stellenwert zuwächst: das moderne Europa im ausgehenden
19. Jahrhundert, als dessen Repräsentanten (in philosophischer und/oder
künstlerischer Hinsicht) sich die sprechenden Instanzen in mehreren Abschnit-
ten dieses letzten Buchs verstehen (FW 356-358, FW 362, FW 377, FW 379,
FW 380). Erschien die Sprechhaltung im Vierten Buch insgesamt geprägt durch
die ,persönliche' Selbstaussprache eines Ich, so weitet sie sich im Fünften Buch
deshalb tendenziell zu der eines Wir, das sich einerseits explizit kollektivisch
begreift: „Wir Alle" (597, 9), „Wir Europäer" (602, 19 f.), „wir Modernen" (624,
25 f.), das sich andererseits aber gerade auch von der Gesellschaft dieser euro-
päischen Moderne distanziert und demgegenüber etwa seine Unverständ-
lichkeit, Unzeitgemäßheit und Zukünftigkeit betont (FW 371, FW 382). Einige
Abschnitte lassen ausweislich ihrer Überschriften, was an manche Titelformu-
lierung in FW Vorspiel erinnert, „Einsiedler" (FW 364, FW 365), „Cyniker"
(FW 368) und „Wanderer" (FW 380) als sprechende Instanzen auftreten. Da-
von, dass „Nietzsche hier [in FW V] im eigenen Namen" spricht (Stegmaier
2015, 131), kann angesichts einer solchen perspektivischen Vielfalt von Spre-
cherrollen mithin genauso wenig wie in Bezug auf den Rest des Werks pau-
schal die Rede sein.
Im Einzelnen verhandelt und vertieft das Fünfte Buch über den ,Gottestod'
sowie das moderne Europa hinaus - freilich auf unterschiedliche Weise auch
damit verbunden - etliche Themen, die bereits in den vier ,Büchern' der Erst-
ausgabe zur Sprache kamen: So entfalten die Abschnitte von FW V ein breites
thematisches Spektrum, das sich, von der ,Gottlosigkeit' der europäischen Mo-
derne ausgehend, nicht nur erneut auf die nahe gelegenen Gebiete der Moral
(FW 345, direkt darauf Bezug nehmend FW 346, FW 352, FW 359, FW 380) und
 
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