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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0081
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58 Die fröhliche Wissenschaft

schaft haben könnte wenn man vermöchte mit Ihrem Blicke zu schauen."
(Ebd., S. 289, Z. 23-29)
Wenngleich nicht aus wissenschaftlicher, sondern aus dichterischer Per-
spektive gelangt Gottfried Keller, dem N. ebenfalls ein Exemplar zukommen
ließ, zu einer Beurteilung von FW, die ähnlich zwischen Unverständnis und
Zuneigung oszilliert, letztere aber nicht ganz so enthusiastisch wie Burckhardt
artikuliert: „Die fröhliche Wissenschaft habe ich einmal durchgangen und bin
jetzt daran, mit gesammelter Aufmerksamkeit das Buch zu lesen, befinde mich
aber zur Stunde noch im Zustand einer alten Drossel, die im Walde von allen
Zweigen die Schlingen herunterhängen sieht, in welche sie den Hals stecken
soll. Doch wächst die Sympathie und ich hoffe, der Idee des Werkes so nahe
zu treten, als mein leichtfertiges Novellistengewerbe es erlaubt." (20. 09. 1882,
KGB III 2, Nr. 146, S. 291, Z. 10-18)
Vielleicht am distanziertesten fällt die Reaktion des Philosophen Heinrich
von Stein aus, der sich in seinem Brief vom 15. November 1882 bei N. für seine
späte Antwort mit der Begründung entschuldigt, FW erst einmal gelesen zu
haben. Bei aller Betonung des inhaltlich Unverständlichen bzw. Befremdenden
bekundet von Stein dennoch eine gewisse Faszination für den Stil des Buchs:
„Manches glaube ich nun hierauf vernommen, und verstanden zu haben: wo-
durch mir denn erst recht der Muth zu einer schnellen Antwort entsank. War
es mir doch oft, als erfülle mich eben ganz und gar ein gränzenlos Anderes,
als den hier zu mir sprechenden Denker, dessen Stimmklang mich aber den-
noch ihm zu lauschen bestimmte." (KGB III 2, Nr. 155, S. 305, Z. 9-14)
Von besonderer Bedeutung für N. waren die Äußerungen seines früheren
Freundes Erwin Rohde über FW; auf dessen Brief vom 26. November 1882 spielt
N. noch später verschiedentlich an. Rohde, der berichtet, das Buch in den Feri-
en an der Ostsee gelesen zu haben, zweifelt zwar seine Wissenschaftlichkeit,
nicht aber seine Fröhlichkeit an und erkennt darin eine Steigerung gegenüber
den beiden vorangehenden ,freigeistigen' Werken MA und M: „Es scheint mir
um Vieles frischer und muthiger als deine früheren [...]; was zuerst, liebster
Freund, gestatte daß ich es eingestehe, mir wie ein nur mit Gewalt deiner ei-
gentlichen Neigung abgezwungener, mit verbissenen Zähnen gewollter
excentrischer Entschluß vorkam - diese neue, in Nüchternheit enthusiastisch
sich betrinkende Vorstellungsweise, jetzt ist sie wirklich, so empfinde ich es,
Dir zu einer natürlichen Empfindungsart geworden; und jetzt, merkt man
wohl, dient sie wirklich dazu, dir das Leben leichter, klarer, kühl behaglich zu
machen, ohne dich eigentlich ärmer zu machen." (KGB III 2, Nr. 158, S. 307,
Z. 12 f. u. 16-24) Diese und ähnliche weitere Einschätzungen Rohdes (vgl.
NK 345, 5-7), die im Tonfall an die euphorischen Verlautbarungen von Gers-
dorff und Baumgärtner erinnern, dienen N. später allerdings zu enttäuschten
 
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