Überblickskommentar 59
Rückblicken auf die insgesamt durchaus geneigte Aufnahme der Erstausgabe
von FW vonseiten seiner Freunde und Bekannten.
Im Umkreis von Entwürfen zur Vorrede in Heft W I 8 (Herbst 1886) setzt N.
mehrfach dazu an, die wohlwollenden Reaktionen auf das Buch als Missver-
ständnis zu bedauern: „Es gehört zu meinen beschämenden Erinnerungen, das
man mir zu keinem rzu den Dingen, die ich nicht vergessen werde,' meiner
Bücher so viele / Glückwünsche gesagt hat wie zu diesem. Abgesehen Μ Man
war mit mir versöhnt; mit Einem Male / man zeigte sich entge[genkommend]
u liebreich / und wiederum: / Nichts beleidigt so tief 'nichts trennt so gründ-
lich ab' als 'etwas von der' Höhe u. Strenge 'mihdeFman sich selbst behandelt-1
gegen sich merken zu lassen: oh wie / entgegenkommend u. liebreich zeigt
man sich 'sich alle Welt' gegen uns, sobald wir beginnen, es machen wie / alle
Welt u uns ,gehen lassen' wie alle Welt!" (KGW IX 5, W I 8, 64, 19-28 =
NL 1885/86, 2[166], KSA 12, 151, 1-3 u. 7-11) Insofern dürfte N. die Resonanzar-
mut, mit der seine alten Freunde und Bekannten - abgesehen vom unermüdli-
chen Helfer Heinrich Köselitz - fünf Jahre später auf die Neuausgabe von FW
,reagierten', eigentlich ganz recht gewesen sein.
Unerwähnt lässt N. in seinem enttäuschten Rückblick freilich seine einsti-
ge erfreute Kenntnisnahme der Rezension, die bereits im November 1882, also
kurz nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe von FW, in der von N.s damali-
gem Verleger Ernst Schmeitzner herausgegebenen Internationalen Monats-
schrift abgedruckt wurde (die Nummer ist nicht in NPB erhalten). Der anonyme
Rezensent, den Reich 2013, 577 als Ernst Wagner identifiziert, kam zu einem
sehr positiven Urteil, auf das N. selbst Heinrich Köselitz am 10. Januar 1883
mit folgenden Worten hinwies: „Lesen Sie doch einmal die November-Nummer
von Schmeitzner's Zeitschrift. Da ist ein Aufsatz über die ,fröhliche Wissen-
schaft' aus einer mir unbekannten Feder. Nicht übel! Zum ersten Mal las ich
seit 6 Jahren etwas über mich ohne Ekel." (KSB 6/KGB III 1, Nr. 368, S. 317,
Z. 36-40) Wagners Urteil über FW weist im Einzelnen schon frappierend auf
die Einschätzung durch spätere N.-Forscher voraus, insbesondere was das Ver-
hältnis von „Kunst" und „Wissenschaft" betrifft. Laut Wagner zeigt sich gerade
mit Blick auf dieses Verhältnis ein Wandel im Denken und Schreiben N.s, der
mit FW zu einer Synthese der Gegensätze finde, die seine früheren Schaffens-
phasen geprägt hätten. Der Rezensent wagt von hier aus eine Prognose: „Es
wäre nicht zu verwundern, wenn Nietzsche, der, von der Betrachtung der
Kunst ausgehend, zur Wissenschaft geführt wurde, jetzt, nach langer mühevol-
ler Forscherthätigkeit wieder zur Kunst zurückgelangte, und sich so der Kreis
seines Werdens harmonisch ineinanderschlösse!" (Anonym 1882, 685 = Wag-
ner in Reich 2013, 577) Dementsprechend sei es auch keineswegs N.s Absicht,
mit FW „ein neues philosophisches System zu begründen, vielmehr betrachtet
Rückblicken auf die insgesamt durchaus geneigte Aufnahme der Erstausgabe
von FW vonseiten seiner Freunde und Bekannten.
Im Umkreis von Entwürfen zur Vorrede in Heft W I 8 (Herbst 1886) setzt N.
mehrfach dazu an, die wohlwollenden Reaktionen auf das Buch als Missver-
ständnis zu bedauern: „Es gehört zu meinen beschämenden Erinnerungen, das
man mir zu keinem rzu den Dingen, die ich nicht vergessen werde,' meiner
Bücher so viele / Glückwünsche gesagt hat wie zu diesem. Abgesehen Μ Man
war mit mir versöhnt; mit Einem Male / man zeigte sich entge[genkommend]
u liebreich / und wiederum: / Nichts beleidigt so tief 'nichts trennt so gründ-
lich ab' als 'etwas von der' Höhe u. Strenge 'mihdeFman sich selbst behandelt-1
gegen sich merken zu lassen: oh wie / entgegenkommend u. liebreich zeigt
man sich 'sich alle Welt' gegen uns, sobald wir beginnen, es machen wie / alle
Welt u uns ,gehen lassen' wie alle Welt!" (KGW IX 5, W I 8, 64, 19-28 =
NL 1885/86, 2[166], KSA 12, 151, 1-3 u. 7-11) Insofern dürfte N. die Resonanzar-
mut, mit der seine alten Freunde und Bekannten - abgesehen vom unermüdli-
chen Helfer Heinrich Köselitz - fünf Jahre später auf die Neuausgabe von FW
,reagierten', eigentlich ganz recht gewesen sein.
Unerwähnt lässt N. in seinem enttäuschten Rückblick freilich seine einsti-
ge erfreute Kenntnisnahme der Rezension, die bereits im November 1882, also
kurz nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe von FW, in der von N.s damali-
gem Verleger Ernst Schmeitzner herausgegebenen Internationalen Monats-
schrift abgedruckt wurde (die Nummer ist nicht in NPB erhalten). Der anonyme
Rezensent, den Reich 2013, 577 als Ernst Wagner identifiziert, kam zu einem
sehr positiven Urteil, auf das N. selbst Heinrich Köselitz am 10. Januar 1883
mit folgenden Worten hinwies: „Lesen Sie doch einmal die November-Nummer
von Schmeitzner's Zeitschrift. Da ist ein Aufsatz über die ,fröhliche Wissen-
schaft' aus einer mir unbekannten Feder. Nicht übel! Zum ersten Mal las ich
seit 6 Jahren etwas über mich ohne Ekel." (KSB 6/KGB III 1, Nr. 368, S. 317,
Z. 36-40) Wagners Urteil über FW weist im Einzelnen schon frappierend auf
die Einschätzung durch spätere N.-Forscher voraus, insbesondere was das Ver-
hältnis von „Kunst" und „Wissenschaft" betrifft. Laut Wagner zeigt sich gerade
mit Blick auf dieses Verhältnis ein Wandel im Denken und Schreiben N.s, der
mit FW zu einer Synthese der Gegensätze finde, die seine früheren Schaffens-
phasen geprägt hätten. Der Rezensent wagt von hier aus eine Prognose: „Es
wäre nicht zu verwundern, wenn Nietzsche, der, von der Betrachtung der
Kunst ausgehend, zur Wissenschaft geführt wurde, jetzt, nach langer mühevol-
ler Forscherthätigkeit wieder zur Kunst zurückgelangte, und sich so der Kreis
seines Werdens harmonisch ineinanderschlösse!" (Anonym 1882, 685 = Wag-
ner in Reich 2013, 577) Dementsprechend sei es auch keineswegs N.s Absicht,
mit FW „ein neues philosophisches System zu begründen, vielmehr betrachtet