62 Die fröhliche Wissenschaft
Damit läuft freilich auch bei Steiner (wie schon bei Andreas-Salome) FW quasi
teleologisch auf Za zu.
Obwohl Steiner mit dem Anspruch auftritt, das seines Erachtens von An-
dreas-Salome gezeichnete ,Zerrbild' zu korrigieren, zeitigte ihr Buch größeren
Einfluss auf die nachfolgenden Deutungen als das seinige. Das betrifft vor al-
lem Andreas-Salomes wirkmächtige Einteilung von N.s Schaffen in drei Perio-
den und ihre These vom Abschluss der mittleren, ,positivistischen Periode'
durch die Erstausgabe von FW. Nicht zuletzt aufgrund des daraus ableitbaren
Charakters als ,Übergangswerk' geriet FW allerdings weiter in den Schatten
von Za und etwas später (im frühen 20. Jahrhundert) dann in den des vermeint-
lichen nachgelassenen Hauptwerks WzM. So adaptiert Alois Riehl in seiner
1897 erstveröffentlichten Monographie Friedrich Nietzsche. Der Künstler und der
Denker das von Andreas-Salome eingeführte Periodisierungsschema, indem er
zunächst eine ,romantisch-metaphysische' Werkperiode N.s im Geiste Scho-
penhauers und Wagners durch eine ,aufklärerisch-positivistische' abgelöst
sieht: „Die romantische Künstler-Metaphysik der ,Geburt der Tragödie' und der
Wagner-Schrift [UB IV WB] hat der Aufklärung und dem Positivismus der Wis-
senschaft Platz gemacht" (Riehl 1901, 14), um sodann M und mehr noch FW
als den Übergang zu einer dritten „neuen Epoche" zu erklären, deren „Haupt-
werk [...] die merkwürdigste Schrift Nietzsches, das symbolistische Buch" Za
sei: „Noch einmal tritt in Nietzsches Grundanschauungen eine Umwandlung
ein. Sie kündet sich, obgleich erst für schärfere Augen sichtbar, schon in der
Morgenröte an und kommt in der fröhlichen Wissenschaft mehr und
mehr zum Durchbruch." (Riehl 1901, 15)
Auch in Theobald Zieglers Buch Friedrich Nietzsche. Vorkämpfer des Jahr-
hunderts, das im Jahr 1900 erschien, wird FW nur knapp in dem kurzen Zwi-
schenkapitel „Übergang zur dritten Periode" gestreift, um im Übergangsbe-
reich von einer „positivistischen" Werkphase (der zweiten nach der frühen
Periode „im Banne Schopenhauers und Wagners") zur Phase von Za (welche
auch von Ziegler als dritte gezählt wird, die das gesamte Spätwerk umfasst)
verortet zu werden. Für Ziegler ist dieser Übergang, als den er wie schon Riehl
vor allem M und FW begreift, „nichts als Übergang" (Ziegler 1900, 102); des-
halb widmet er sich ihm nur flüchtig, allerdings schon ausführlicher als Riehl.
Er konfrontiert die positivistische „Selbstvergewaltigung" (ebd., 105), die er N.
mit Blick auf MA attestiert, in einer an Ernst Wagners Rezension erinnernden
Weise mit dem (Wieder-)Erwachen des „Poetisch-Lyrische[n]" (ebd., 108) in je-
ner ,Übergangszeit', wodurch M und FW geprägt seien. Ziegler schreibt über
N.: „In dieser Stimmung sieht er die Morgenröte eines neuen Tages. Der Positi-
vismus war doch nur ein unnatürlicher Zwang gewesen, jetzt erst fühlt er sich
wieder leicht und frei, glücklich und fröhlich, als er ihn von sich abschütteln
Damit läuft freilich auch bei Steiner (wie schon bei Andreas-Salome) FW quasi
teleologisch auf Za zu.
Obwohl Steiner mit dem Anspruch auftritt, das seines Erachtens von An-
dreas-Salome gezeichnete ,Zerrbild' zu korrigieren, zeitigte ihr Buch größeren
Einfluss auf die nachfolgenden Deutungen als das seinige. Das betrifft vor al-
lem Andreas-Salomes wirkmächtige Einteilung von N.s Schaffen in drei Perio-
den und ihre These vom Abschluss der mittleren, ,positivistischen Periode'
durch die Erstausgabe von FW. Nicht zuletzt aufgrund des daraus ableitbaren
Charakters als ,Übergangswerk' geriet FW allerdings weiter in den Schatten
von Za und etwas später (im frühen 20. Jahrhundert) dann in den des vermeint-
lichen nachgelassenen Hauptwerks WzM. So adaptiert Alois Riehl in seiner
1897 erstveröffentlichten Monographie Friedrich Nietzsche. Der Künstler und der
Denker das von Andreas-Salome eingeführte Periodisierungsschema, indem er
zunächst eine ,romantisch-metaphysische' Werkperiode N.s im Geiste Scho-
penhauers und Wagners durch eine ,aufklärerisch-positivistische' abgelöst
sieht: „Die romantische Künstler-Metaphysik der ,Geburt der Tragödie' und der
Wagner-Schrift [UB IV WB] hat der Aufklärung und dem Positivismus der Wis-
senschaft Platz gemacht" (Riehl 1901, 14), um sodann M und mehr noch FW
als den Übergang zu einer dritten „neuen Epoche" zu erklären, deren „Haupt-
werk [...] die merkwürdigste Schrift Nietzsches, das symbolistische Buch" Za
sei: „Noch einmal tritt in Nietzsches Grundanschauungen eine Umwandlung
ein. Sie kündet sich, obgleich erst für schärfere Augen sichtbar, schon in der
Morgenröte an und kommt in der fröhlichen Wissenschaft mehr und
mehr zum Durchbruch." (Riehl 1901, 15)
Auch in Theobald Zieglers Buch Friedrich Nietzsche. Vorkämpfer des Jahr-
hunderts, das im Jahr 1900 erschien, wird FW nur knapp in dem kurzen Zwi-
schenkapitel „Übergang zur dritten Periode" gestreift, um im Übergangsbe-
reich von einer „positivistischen" Werkphase (der zweiten nach der frühen
Periode „im Banne Schopenhauers und Wagners") zur Phase von Za (welche
auch von Ziegler als dritte gezählt wird, die das gesamte Spätwerk umfasst)
verortet zu werden. Für Ziegler ist dieser Übergang, als den er wie schon Riehl
vor allem M und FW begreift, „nichts als Übergang" (Ziegler 1900, 102); des-
halb widmet er sich ihm nur flüchtig, allerdings schon ausführlicher als Riehl.
Er konfrontiert die positivistische „Selbstvergewaltigung" (ebd., 105), die er N.
mit Blick auf MA attestiert, in einer an Ernst Wagners Rezension erinnernden
Weise mit dem (Wieder-)Erwachen des „Poetisch-Lyrische[n]" (ebd., 108) in je-
ner ,Übergangszeit', wodurch M und FW geprägt seien. Ziegler schreibt über
N.: „In dieser Stimmung sieht er die Morgenröte eines neuen Tages. Der Positi-
vismus war doch nur ein unnatürlicher Zwang gewesen, jetzt erst fühlt er sich
wieder leicht und frei, glücklich und fröhlich, als er ihn von sich abschütteln