Stellenkommentar FW Titel / Motto 1882, KSA 3, S. 343 87
lig, alle Menschen göttlich." (Von N. in seinem Exemplar mehrfach am Rand
angestrichen; vgl. auch Baumgarten 1956, 97, Anm. 7.) Die Personalunion von
„Dichter und Weise[m]" entspricht N.s schon früh artikuliertem Selbstverständ-
nis als ,Dichterphilosoph'. Als solcher zeigt er sich besonders auch in FW, inso-
fern nicht nur der Titel schon auf eine literarische Tradition anspielt, sondern
das Werk in seiner textuellen Komposition - gleich auf den ersten Blick er-
kennbar durch die Integration von Gedichten in eine ,philosophische' Prosa-
schrift - Dichtung und ,Weisheit' miteinander verbindet. Das manipulierte Zitat
zeugt von einer idealisch-hohen Auffassung des „Dichter[s] und Weisen", die
sich bei N. während der 1880er Jahre zwar stellenweise auch sonst findet, in
seinen Texten jedoch immer wieder durch einen (selbst)ironisch-subversiven
Gestus relativiert wird. Das Motto der Neu-Ausgabe von 1887 stellt diesen As-
pekt in den Vordergrund und fungiert so gewissermaßen als Korrektiv des ers-
ten Mottos. Zur Distanzierung N.s von diesem Motto, die in der Entstehungszeit
von Za einsetzt, vgl. Brusotti 1997b, 598, Anm. 97, der biographisch argumen-
tiert, dass die „Erfüllung [des Emerson entliehenen Mottos] für ihn [N.] nach
den schmerzlichen Erlebnissen ab Sommer 1882 in weite Ferne rückt".
Im Schlusspassus eines Briefes an Paul Ree reklamiert N. zwar das im
Emerson-Zitat geschilderte Welterleben noch für sich selbst, indem er dem
Adressaten zuruft: „Adieu, lieber alter Freund! Und mögen auch Ihnen ,alle
Erlebnisse nützlich, alle Tage heilig und alle Menschen göttlich sein' - so wie
sie mir es sind." (08. 1882, KSB 6/KGB III 1, Nr. 292, S. 247, Z. 28-30) Im Brief an
Franz Overbeck vom 25. Dezember 1882 berichtet er jedoch von einer schweren
psycho-physischen Krise, angesichts derer sich allererst erweisen müsse, wie
er sarkastisch bemerkt, ob sich das Motto von FW tatsächlich auf den Autor
übertragen lässt: „Wenn ich nicht das Alchemisten-Kunststück erfinde, auch
aus diesem - Kothe Gold zu machen, so bin ich verloren. - Ich habe da die
allerschönste Gelegenheit zu beweisen, daß mir ,alle Erlebnisse nützlich,
alle Tage heilig und alle Menschen göttlich' sind!!!!" (KSB 6/KGB III 1, Nr. 365,
S. 312, Z. 17-21) Zu dieser Fäkalmetaphorik vgl. Volz 2016.
Aus dem Februar/März 1882 stammt folgende Variante des Mottos: „Emer-
son sagt mir nach dem Herzen: Dem Poeten dem Philosophen wie dem Heili-
gen sind alle Dinge befreundet und geweiht, alle Ereignisse nützlich, alle Tage
heilig, alle Menschen göttlich." (NL 1882, 18[5], KSA 9, 673; Mp XVIII 3, 34)
Damit zitiert N. Emersons Diktum noch genau, das im englischen Original lau-
tet: „To the poet, to the philosopher, to the saint, all things are friendly and
sacred, all events profitable, all days holy, all men divine." (Emerson 1881, 18)
Für das Motto lässt N. also den „Heiligen" weg und macht aus dem „Poeten"/
„Dichter" und dem „Philosophen"/„Weisen" eine einzige Person. Vgl. hierzu
Brusotti 1997b, 382, Anm. 6, der zu Recht konstatiert, dass „Nietzsches Ände-
lig, alle Menschen göttlich." (Von N. in seinem Exemplar mehrfach am Rand
angestrichen; vgl. auch Baumgarten 1956, 97, Anm. 7.) Die Personalunion von
„Dichter und Weise[m]" entspricht N.s schon früh artikuliertem Selbstverständ-
nis als ,Dichterphilosoph'. Als solcher zeigt er sich besonders auch in FW, inso-
fern nicht nur der Titel schon auf eine literarische Tradition anspielt, sondern
das Werk in seiner textuellen Komposition - gleich auf den ersten Blick er-
kennbar durch die Integration von Gedichten in eine ,philosophische' Prosa-
schrift - Dichtung und ,Weisheit' miteinander verbindet. Das manipulierte Zitat
zeugt von einer idealisch-hohen Auffassung des „Dichter[s] und Weisen", die
sich bei N. während der 1880er Jahre zwar stellenweise auch sonst findet, in
seinen Texten jedoch immer wieder durch einen (selbst)ironisch-subversiven
Gestus relativiert wird. Das Motto der Neu-Ausgabe von 1887 stellt diesen As-
pekt in den Vordergrund und fungiert so gewissermaßen als Korrektiv des ers-
ten Mottos. Zur Distanzierung N.s von diesem Motto, die in der Entstehungszeit
von Za einsetzt, vgl. Brusotti 1997b, 598, Anm. 97, der biographisch argumen-
tiert, dass die „Erfüllung [des Emerson entliehenen Mottos] für ihn [N.] nach
den schmerzlichen Erlebnissen ab Sommer 1882 in weite Ferne rückt".
Im Schlusspassus eines Briefes an Paul Ree reklamiert N. zwar das im
Emerson-Zitat geschilderte Welterleben noch für sich selbst, indem er dem
Adressaten zuruft: „Adieu, lieber alter Freund! Und mögen auch Ihnen ,alle
Erlebnisse nützlich, alle Tage heilig und alle Menschen göttlich sein' - so wie
sie mir es sind." (08. 1882, KSB 6/KGB III 1, Nr. 292, S. 247, Z. 28-30) Im Brief an
Franz Overbeck vom 25. Dezember 1882 berichtet er jedoch von einer schweren
psycho-physischen Krise, angesichts derer sich allererst erweisen müsse, wie
er sarkastisch bemerkt, ob sich das Motto von FW tatsächlich auf den Autor
übertragen lässt: „Wenn ich nicht das Alchemisten-Kunststück erfinde, auch
aus diesem - Kothe Gold zu machen, so bin ich verloren. - Ich habe da die
allerschönste Gelegenheit zu beweisen, daß mir ,alle Erlebnisse nützlich,
alle Tage heilig und alle Menschen göttlich' sind!!!!" (KSB 6/KGB III 1, Nr. 365,
S. 312, Z. 17-21) Zu dieser Fäkalmetaphorik vgl. Volz 2016.
Aus dem Februar/März 1882 stammt folgende Variante des Mottos: „Emer-
son sagt mir nach dem Herzen: Dem Poeten dem Philosophen wie dem Heili-
gen sind alle Dinge befreundet und geweiht, alle Ereignisse nützlich, alle Tage
heilig, alle Menschen göttlich." (NL 1882, 18[5], KSA 9, 673; Mp XVIII 3, 34)
Damit zitiert N. Emersons Diktum noch genau, das im englischen Original lau-
tet: „To the poet, to the philosopher, to the saint, all things are friendly and
sacred, all events profitable, all days holy, all men divine." (Emerson 1881, 18)
Für das Motto lässt N. also den „Heiligen" weg und macht aus dem „Poeten"/
„Dichter" und dem „Philosophen"/„Weisen" eine einzige Person. Vgl. hierzu
Brusotti 1997b, 382, Anm. 6, der zu Recht konstatiert, dass „Nietzsches Ände-