Stellenkommentar FW Vorrede 1, KSA 3, S. 345 97
das bereits in der Erstausgabe von 1882 enthaltene „Vorspiel in deutschen Rei-
men" zu FW „ebenfalls als Vorrede zu lesen"; er geht also von zwei ,Vorreden'
aus. Zittel 2015, 64 hingegen meint, N. habe dem Werk „gleich fünf Vorreden
voran[gestellt]". Eine Begründung für diese merkwürdige These liefert Zittel
nicht; vielleicht addiert er das neu hinzugekommene Motto und die vier Ab-
schnitte der Vorrede miteinander.
Wie dem auch sei, der FW Vorrede eröffnende Hinweis auf die ,mögliche
Notwendigkeit' mehrerer Vorreden kann als Gegenentwurf zur üblichen Vorre-
den-Praxis einer captatio benevolentiae gelesen werden, wie N. ihn etwa schon
von Schopenhauers Vorrede zur ersten Auflage seines Hauptwerks Die Welt als
Wille und Vorstellung kannte, die den Leser mit ihrer captatio malevolentiae
eher abschreckt als zur Lektüre einlädt (ähnlich verfährt auch wieder N.s Vor-
wort zu AC, vgl. ΝΚ KSA 6, 167, 2). Schopenhauers erste „Vorrede, die ihn
[sc. den Leser] abweist", führt lang und breit aus, weshalb dieses Werk den
Meisten unverständlich bleiben müsse, und gipfelt sogar in dem „Rath [...], das
Buch nur wieder wegzulegen" (Schopenhauer 1873-1874, 2, XIV). Die unmittel-
bar auf die hier kommentierte Stelle folgende Passage von FW Vorrede 1 zwei-
felt ebenfalls an der Verständlichkeit des nachstehenden Werks. Allerdings
gibt es einen bemerkenswerten Unterschied: Während Schopenhauer auf die
nur bei „Wenigen" anzutreffende „ungewöhnliche Denkungsart" und die ent-
sprechende geistige „Anstrengung" abhebt (ebd.), die das Verständnis seines
Werks erfordere, geht es in N.s Vorrede gerade nicht um ,bloß‘ intellektuelle
Hürden. Vielmehr steht hier der exzeptionelle persönliche Erlebnisgehalt im
Vordergrund, der das Buch bestimme.
Zwei Entwürfe für den Beginn der Vorrede in Heft WI 8 setzen zu ausführli-
cheren Begründungen an, brechen jedoch beide ab: „Diesem Buche thut viell.
nicht nur Eine Vorrede noth: von seiner ,fröhlichen / W.' hat man gar nichts
verstanden. Selbst über den Titel"; direkt darunter setzt N. neu an: „Von dieser
,fröhl. W.‘ hat man gar Nichts verstanden; nicht / einmal den Titel, über dessen
provenzalische Herkunft 'Sinn' wenigstens viele Gelehrte" (KGW IX 5, W I 8,
64, 2-8 = NL 1885/86, 2[166], KSA 12, 150, 13-18). In der Druckfassung schließ-
lich wird die Titelformel „Fröhliche Wissenschaft" dann einfach im Fortgang
von FW Vorrede 1 erläutert (345, 15 u. 346, 21) - nun allerdings ohne Hinweis
auf die „provenzalische Herkunft" (vgl. NK FW Titel).
345, 5-7 zuletzt bliebe immer noch der Zweifel bestehn, ob Jemand, ohne etwas
Aehnliches erlebt zu haben, dem Erlebnisse dieses Buchs durch Vorreden nä-
her gebracht werden kann.] Eine ,Vorstufe' in Heft W I 8 betont ebenfalls das
vermeintliche Entstehungserlebnis, das für die Lesenden schwer nachzuvoll-
ziehen sei: „Der 'triumphierende' Zustand, aus dem dies B[uch] hervorgieng, /
ist schwer zu begreifen." (KGW IX 5, W I 8, 63, 3 = NL 1885/86, 2[166], KSA 12,
das bereits in der Erstausgabe von 1882 enthaltene „Vorspiel in deutschen Rei-
men" zu FW „ebenfalls als Vorrede zu lesen"; er geht also von zwei ,Vorreden'
aus. Zittel 2015, 64 hingegen meint, N. habe dem Werk „gleich fünf Vorreden
voran[gestellt]". Eine Begründung für diese merkwürdige These liefert Zittel
nicht; vielleicht addiert er das neu hinzugekommene Motto und die vier Ab-
schnitte der Vorrede miteinander.
Wie dem auch sei, der FW Vorrede eröffnende Hinweis auf die ,mögliche
Notwendigkeit' mehrerer Vorreden kann als Gegenentwurf zur üblichen Vorre-
den-Praxis einer captatio benevolentiae gelesen werden, wie N. ihn etwa schon
von Schopenhauers Vorrede zur ersten Auflage seines Hauptwerks Die Welt als
Wille und Vorstellung kannte, die den Leser mit ihrer captatio malevolentiae
eher abschreckt als zur Lektüre einlädt (ähnlich verfährt auch wieder N.s Vor-
wort zu AC, vgl. ΝΚ KSA 6, 167, 2). Schopenhauers erste „Vorrede, die ihn
[sc. den Leser] abweist", führt lang und breit aus, weshalb dieses Werk den
Meisten unverständlich bleiben müsse, und gipfelt sogar in dem „Rath [...], das
Buch nur wieder wegzulegen" (Schopenhauer 1873-1874, 2, XIV). Die unmittel-
bar auf die hier kommentierte Stelle folgende Passage von FW Vorrede 1 zwei-
felt ebenfalls an der Verständlichkeit des nachstehenden Werks. Allerdings
gibt es einen bemerkenswerten Unterschied: Während Schopenhauer auf die
nur bei „Wenigen" anzutreffende „ungewöhnliche Denkungsart" und die ent-
sprechende geistige „Anstrengung" abhebt (ebd.), die das Verständnis seines
Werks erfordere, geht es in N.s Vorrede gerade nicht um ,bloß‘ intellektuelle
Hürden. Vielmehr steht hier der exzeptionelle persönliche Erlebnisgehalt im
Vordergrund, der das Buch bestimme.
Zwei Entwürfe für den Beginn der Vorrede in Heft WI 8 setzen zu ausführli-
cheren Begründungen an, brechen jedoch beide ab: „Diesem Buche thut viell.
nicht nur Eine Vorrede noth: von seiner ,fröhlichen / W.' hat man gar nichts
verstanden. Selbst über den Titel"; direkt darunter setzt N. neu an: „Von dieser
,fröhl. W.‘ hat man gar Nichts verstanden; nicht / einmal den Titel, über dessen
provenzalische Herkunft 'Sinn' wenigstens viele Gelehrte" (KGW IX 5, W I 8,
64, 2-8 = NL 1885/86, 2[166], KSA 12, 150, 13-18). In der Druckfassung schließ-
lich wird die Titelformel „Fröhliche Wissenschaft" dann einfach im Fortgang
von FW Vorrede 1 erläutert (345, 15 u. 346, 21) - nun allerdings ohne Hinweis
auf die „provenzalische Herkunft" (vgl. NK FW Titel).
345, 5-7 zuletzt bliebe immer noch der Zweifel bestehn, ob Jemand, ohne etwas
Aehnliches erlebt zu haben, dem Erlebnisse dieses Buchs durch Vorreden nä-
her gebracht werden kann.] Eine ,Vorstufe' in Heft W I 8 betont ebenfalls das
vermeintliche Entstehungserlebnis, das für die Lesenden schwer nachzuvoll-
ziehen sei: „Der 'triumphierende' Zustand, aus dem dies B[uch] hervorgieng, /
ist schwer zu begreifen." (KGW IX 5, W I 8, 63, 3 = NL 1885/86, 2[166], KSA 12,