162 Die fröhliche Wissenschaft
die komische Handlung und die drei typisierten Figuren entsprechen der Com-
media dell'arte: Ein geiziger Doktor der Medizin hat ein junges Paar um dessen
Erbschaft gebracht; die Liebenden versuchen, ihm das Geld mittels einer List
wieder abzuluchsen. Die Musik dazu komponierte Philipp Christoph Kayser;
die Vertonung war im Mai 1786 abgeschlossen, allerdings kam es zu keiner
zeitgenössischen Aufführung des „Singspiel[s]" mit Kaysers Musik. Für einen
Einakter mit Klavierbegleitung hatte im 19. Jahrhundert Max Bruch den Stoff
aufgegriffen (Uraufführung 1858), der aber kaum als Vermittlungsinstanz für
N. in Betracht kommt, wie Itoda 2019, 29 mutmaßt. Vielmehr dürfte N. auf den
eher unbekannten Goethe-Text durch Heinrich Köselitz aufmerksam gemacht
worden sein, der im Jahr 1880 daranging, ihn neu zu vertonen (vgl. Köselitz
an N., 12. 10.1880, KGB III 2, S. 115 f., Z. 29-41; N.s Postkarte an Köselitz,
20.10.1880, KSB 6/KGB III 1, Nr. 54, S. 41, Z. 10 sowie Köselitz' Antwort,
21. 10.1880, KGB III 2, S. 117 f., Z. 16-18 u. 40-43).
Über Köselitz' fertige Komposition äußerte sich N. dann in den höchsten
Tönen, so im Brief an Paul Ree von Ende August 1881, dem er schreibt, Köselitz
habe damit „ein Werk geschaffen, welches eine helle Heiterkeit und Höhe
zeigt, daß ich darin wie in einem besseren Wasser schwimmen muß und im
Schwimmen auf dieser neuen Fluth vor Vergnügen jauchze". Direkt im An-
schluss an diese Stelle erläutert N., inwiefern er sich selbst mit der „komi-
sche[n] Oper ,Scherz List und Rache'" identifiziert: „Und wenn er [sc. Köselitz]
immer wieder mir zu verstehen giebt, daß meine Philosophie und Denkweise
ihm zu dieser Umwandlung verhalfen habe und daß diese hier in Tönen zu
erklingen beginne, so bin ich sowohl als alter verunglückter Musikus und
ebenso als neuer unmöglicher unvollständiger aphoristischer Philosophus all-
zu hoch geehrt, um mich nicht auch beschämt zu fühlen." (KSB 6/KGB III 1,
Nr. 144, S. 123 f., Z. 6-17) Wohl am 19. Januar 1882 verkündet N. dementspre-
chend gegenüber Ida Overbeck, er werde bei den Bayreuther Festspielen dieses
Jahres durch „Abwesenheit ,glänzen'" und gebe Köselitz' komischer Oper ent-
schiedenen Vorzug vor Wagners ,Bühnenweihfestspiel': „Im Vertrauen gesagt:
ich würde ,Scherz List und Rache' lieber hören als den Parsifal." (KSB 6/KGB
III 1, Nr. 188, S. 157, Z. 35 f. u. 39 f.)
Die Entstehungsgeschichte von FW Vorspiel reicht allerdings weiter zurück
und zeigt, dass N. zunächst noch eine andere Genrebezeichnung als die später
im Untertitel genannten deutschen Reime im Sinn hatte. Im Anhang an einen
Brief an Paul Ree vom September 1879 liefert N. nämlich „zwei Epigramme,
die mir eben einfallen" und die bereits ,Vorstufen' der späteren Texte FW Vor-
spiel 36 und FW Vorspiel 53 (vgl. die Stellenkommentare hierzu) darstellen. N.s
maschinenschriftlicher Brief an Heinrich Köselitz vom 17. Februar 1882 - offen-
bar ein Test mit der erst kürzlich reparierten Malling-Hansen-Schreibmaschine
die komische Handlung und die drei typisierten Figuren entsprechen der Com-
media dell'arte: Ein geiziger Doktor der Medizin hat ein junges Paar um dessen
Erbschaft gebracht; die Liebenden versuchen, ihm das Geld mittels einer List
wieder abzuluchsen. Die Musik dazu komponierte Philipp Christoph Kayser;
die Vertonung war im Mai 1786 abgeschlossen, allerdings kam es zu keiner
zeitgenössischen Aufführung des „Singspiel[s]" mit Kaysers Musik. Für einen
Einakter mit Klavierbegleitung hatte im 19. Jahrhundert Max Bruch den Stoff
aufgegriffen (Uraufführung 1858), der aber kaum als Vermittlungsinstanz für
N. in Betracht kommt, wie Itoda 2019, 29 mutmaßt. Vielmehr dürfte N. auf den
eher unbekannten Goethe-Text durch Heinrich Köselitz aufmerksam gemacht
worden sein, der im Jahr 1880 daranging, ihn neu zu vertonen (vgl. Köselitz
an N., 12. 10.1880, KGB III 2, S. 115 f., Z. 29-41; N.s Postkarte an Köselitz,
20.10.1880, KSB 6/KGB III 1, Nr. 54, S. 41, Z. 10 sowie Köselitz' Antwort,
21. 10.1880, KGB III 2, S. 117 f., Z. 16-18 u. 40-43).
Über Köselitz' fertige Komposition äußerte sich N. dann in den höchsten
Tönen, so im Brief an Paul Ree von Ende August 1881, dem er schreibt, Köselitz
habe damit „ein Werk geschaffen, welches eine helle Heiterkeit und Höhe
zeigt, daß ich darin wie in einem besseren Wasser schwimmen muß und im
Schwimmen auf dieser neuen Fluth vor Vergnügen jauchze". Direkt im An-
schluss an diese Stelle erläutert N., inwiefern er sich selbst mit der „komi-
sche[n] Oper ,Scherz List und Rache'" identifiziert: „Und wenn er [sc. Köselitz]
immer wieder mir zu verstehen giebt, daß meine Philosophie und Denkweise
ihm zu dieser Umwandlung verhalfen habe und daß diese hier in Tönen zu
erklingen beginne, so bin ich sowohl als alter verunglückter Musikus und
ebenso als neuer unmöglicher unvollständiger aphoristischer Philosophus all-
zu hoch geehrt, um mich nicht auch beschämt zu fühlen." (KSB 6/KGB III 1,
Nr. 144, S. 123 f., Z. 6-17) Wohl am 19. Januar 1882 verkündet N. dementspre-
chend gegenüber Ida Overbeck, er werde bei den Bayreuther Festspielen dieses
Jahres durch „Abwesenheit ,glänzen'" und gebe Köselitz' komischer Oper ent-
schiedenen Vorzug vor Wagners ,Bühnenweihfestspiel': „Im Vertrauen gesagt:
ich würde ,Scherz List und Rache' lieber hören als den Parsifal." (KSB 6/KGB
III 1, Nr. 188, S. 157, Z. 35 f. u. 39 f.)
Die Entstehungsgeschichte von FW Vorspiel reicht allerdings weiter zurück
und zeigt, dass N. zunächst noch eine andere Genrebezeichnung als die später
im Untertitel genannten deutschen Reime im Sinn hatte. Im Anhang an einen
Brief an Paul Ree vom September 1879 liefert N. nämlich „zwei Epigramme,
die mir eben einfallen" und die bereits ,Vorstufen' der späteren Texte FW Vor-
spiel 36 und FW Vorspiel 53 (vgl. die Stellenkommentare hierzu) darstellen. N.s
maschinenschriftlicher Brief an Heinrich Köselitz vom 17. Februar 1882 - offen-
bar ein Test mit der erst kürzlich reparierten Malling-Hansen-Schreibmaschine