250 Die fröhliche Wissenschaft
„Bewegungen der Milliarden lebender Pflanzen und Thiere, welche die Erde
bewohnen, [...] einem einzigen großen Zwecke [dienen], der Erhaltung der Art.
Ob der Mensch mit all seiner Ueberlegungskraft kunstvolle Maschinen zum
Nahrungserwerb herzustellen sucht, ob er zu seiner Vertheidigung raffinirte
Mordwaffen anfertigt, oder ob ein Blumenthier auf dem Grunde des Meeres mit
seinen Tentakeln umhertastet und sich zum Schutze zum unförmigen Klumpen
zusammenzieht, die einen Willensäußerungen haben denselben Zweck als die
anderen. [...] /48/ [...] Thronende Fürsten und unterdrückte Sclaven, Gelehrte
und Idioten, Goldkönige und Bettler, engelgleiche Gestalten und Krüppel die-
nen dem einen Princip der Natur nicht mehr und nicht weniger als die einfa-
chen Pflanzen und die niedersten Thiere des Seegrundes. Mögen wir unsern
Willen auf einen Gegenstand lenken auf welchen wir wollen, mag er uns in
das Innere der Erde treiben oder unsere Blicke nach den Gestirnen richten,
mag er sich im gröbsten Egoismus oder in den scheinbar selbstsuchtslosesten
Handlungen äußern, er ist immer nur ein Ausfluß des Grundtriebes alles Le-
bens, der in unserer Natur so mächtig wirkt wie in jedem anderen Wesen, er
ist ein Mittel zur Arterhaltung." (Schneider 1880, 47 f.)
Dieser Auffassung, der zufolge alle Verhaltensweisen gleichermaßen der
Arterhaltung dienen, steht die Argumentation zu Beginn von FW 1 ziemlich
nahe. Allerdings hat Schneider in seinem 1882 erschienenen Buch Der mensch-
liche Wille vom Standpunkte der neueren Entwickelungstheorien (Des „Darwinis-
mus"), das N. am 5. Juli 1882, also noch während der Abschlussarbeiten an der
Erstausgabe von FW, erwarb und mit Lesespuren versah, seine frühere Ansicht
revidiert und alle ,bösen Handlungen' hinsichtlich der Arterhaltung als ,un-
zweckmäßig' ausgeschlossen (vgl. hierzu NK 369, 17-370, 1). In einer von N.
markierten Partie spricht Schneider in diesem Buch aber ebenfalls, ähnlich wie
das Ich in FW 1, vom „instinctiven" Streben nach Arterhaltung, indem er diese
als unbewusst verfolgten Zweck beschreibt. So konstatiert Schneider, dass „das
Begehren nicht nothwendig eine Erkenntniss des Nutzens voraussetzt, weshalb
wir, indem wir nach dem glücklich machenden streben, zugleich das die Arter-
haltung fördernde zu erreichen suchen. Dies allein erklärt es auch und ist der
Grund davon, dass zweckmäßige instinctive Handlungen, d.h. solche, die
ohne ein Bewusstsein vom Zweck doch diesem Zwecke angepasst sind und zu
ihm hinführen, und dass Handlungen überhaupt möglich sind. /267/ Es ist eine
feine Täuschung, wenn man etwa meint, dass wir nach dem Nützlichen bezüg-
lich Guten strebten, nur weil wir es als nützlich erkannt haben. Die objective
Erkenntniss allein vermag niemals einen directen Willensimpuls abzugeben,
ein Begehren und Streben zu erwecken; dies kann nur das Gefühl, welches aus
der objectiven Erkenntniss hervorgeht." (Schneider 1882, 266 f., N.s Unterstrei-
chungen; die Zeilen von S. 267 überdies mit Randstrich versehen.) Zu Beginn
„Bewegungen der Milliarden lebender Pflanzen und Thiere, welche die Erde
bewohnen, [...] einem einzigen großen Zwecke [dienen], der Erhaltung der Art.
Ob der Mensch mit all seiner Ueberlegungskraft kunstvolle Maschinen zum
Nahrungserwerb herzustellen sucht, ob er zu seiner Vertheidigung raffinirte
Mordwaffen anfertigt, oder ob ein Blumenthier auf dem Grunde des Meeres mit
seinen Tentakeln umhertastet und sich zum Schutze zum unförmigen Klumpen
zusammenzieht, die einen Willensäußerungen haben denselben Zweck als die
anderen. [...] /48/ [...] Thronende Fürsten und unterdrückte Sclaven, Gelehrte
und Idioten, Goldkönige und Bettler, engelgleiche Gestalten und Krüppel die-
nen dem einen Princip der Natur nicht mehr und nicht weniger als die einfa-
chen Pflanzen und die niedersten Thiere des Seegrundes. Mögen wir unsern
Willen auf einen Gegenstand lenken auf welchen wir wollen, mag er uns in
das Innere der Erde treiben oder unsere Blicke nach den Gestirnen richten,
mag er sich im gröbsten Egoismus oder in den scheinbar selbstsuchtslosesten
Handlungen äußern, er ist immer nur ein Ausfluß des Grundtriebes alles Le-
bens, der in unserer Natur so mächtig wirkt wie in jedem anderen Wesen, er
ist ein Mittel zur Arterhaltung." (Schneider 1880, 47 f.)
Dieser Auffassung, der zufolge alle Verhaltensweisen gleichermaßen der
Arterhaltung dienen, steht die Argumentation zu Beginn von FW 1 ziemlich
nahe. Allerdings hat Schneider in seinem 1882 erschienenen Buch Der mensch-
liche Wille vom Standpunkte der neueren Entwickelungstheorien (Des „Darwinis-
mus"), das N. am 5. Juli 1882, also noch während der Abschlussarbeiten an der
Erstausgabe von FW, erwarb und mit Lesespuren versah, seine frühere Ansicht
revidiert und alle ,bösen Handlungen' hinsichtlich der Arterhaltung als ,un-
zweckmäßig' ausgeschlossen (vgl. hierzu NK 369, 17-370, 1). In einer von N.
markierten Partie spricht Schneider in diesem Buch aber ebenfalls, ähnlich wie
das Ich in FW 1, vom „instinctiven" Streben nach Arterhaltung, indem er diese
als unbewusst verfolgten Zweck beschreibt. So konstatiert Schneider, dass „das
Begehren nicht nothwendig eine Erkenntniss des Nutzens voraussetzt, weshalb
wir, indem wir nach dem glücklich machenden streben, zugleich das die Arter-
haltung fördernde zu erreichen suchen. Dies allein erklärt es auch und ist der
Grund davon, dass zweckmäßige instinctive Handlungen, d.h. solche, die
ohne ein Bewusstsein vom Zweck doch diesem Zwecke angepasst sind und zu
ihm hinführen, und dass Handlungen überhaupt möglich sind. /267/ Es ist eine
feine Täuschung, wenn man etwa meint, dass wir nach dem Nützlichen bezüg-
lich Guten strebten, nur weil wir es als nützlich erkannt haben. Die objective
Erkenntniss allein vermag niemals einen directen Willensimpuls abzugeben,
ein Begehren und Streben zu erwecken; dies kann nur das Gefühl, welches aus
der objectiven Erkenntniss hervorgeht." (Schneider 1882, 266 f., N.s Unterstrei-
chungen; die Zeilen von S. 267 überdies mit Randstrich versehen.) Zu Beginn