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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0769
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746 Die fröhliche Wissenschaft

MA II WS, vor allem auch den Eröffnungsdialog zwischen dem Wanderer und
seinem Schatten eingeht und auf die Wiederaufnahme des Motivs in Za IV Der
Schatten verweist.
Die in FW 108 gegenüber den genannten Quellen umgeprägte Genitivmeta-
pher von dem bzw. den „Schatten Gottes" wird auch im folgenden Abschnitt
FW 109 wieder aufgegriffen (vgl. NK 468, 34-469, 1), dort mit Blick auf kosmolo-
gische Vorstellungen wie die vom All als Organismus oder als Maschine. Inso-
fern geht es mit dem in FW 108 angeschlagenen Thema des Gottestodes und der
Gottesschatten nicht nur im engeren Sinn um religiöse Belange, sondern, gemäß
der zitierten ,Vorstufe' aus N V 7, 16, darüber hinaus um jene „metaphysischen,
moralischen und theologischen Sätze, die meist unbemerkt bis in die moderne
Wissenschaft hinein wirksam sind" (Brusotti 1991, 426). Auch in FW 343, dem
Eröffnungs-Abschnitt des in der zweiten Ausgabe von 1887 hinzugekommenen
Fünften Buchs, ist von den „Schatten" die Rede, die das „Ereignis" wirft, „dass
,Gott todt ist'" (573, 9-11). Die beiden Buchanfänge sind dadurch miteinander
verbunden (vgl. hierzu schon Schacht 1988, 68 f.), wenngleich zu Beginn von
FW V anderes mit den „Schatten" gemeint ist als zu Beginn von FW III, nämlich
nicht etwa ein Fortwirken metaphysischer Glaubenssätze in der modernen Wis-
senschaft, sondern eine gesamteuropäische „Verdüsterung" (573, 29), die aller-
dings vom sprechenden Philosophen-Wir, zumindest vorerst noch, als ,erhei-
ternd' empfunden wird. Interpretationsansätze zu dem prominenten Abschnitt
FW 108 entwickeln auch Higgins 2000, 95 f., Campioni 2009c, 262, Niehaus
2010, 87, Clark 2015, 234, Correia 2015, 155, Schacht 2015, 88-90, Ponton 2018,
135 f., Saarinen 2019, 152 f. und Ure 2019, 112.
467, 3 zeigte] In Cb2, 137 korrigiert aus: „zeigt".
467, 4 Höhle,] Komma in Cb2, 137 eingefügt.
467, 5 Gott ist todt] Vergleichsweise beiläufig wird hier - zum ersten Mal in
FW - erwähnt, was der ,tolle Mensch' im berühmten gleichnamigen Abschnitt
FW 125 als sensationelles Ereignis ausposaunt (vgl. NK 481, 15; zur dortigen
Selbstbezichtung des Gottesmordes NK 480, 32-481, 2) und das Philosophen-
Wir in FW 343 zu Beginn des Fünften Buchs freudig begrüßt - und was im
Verlauf der Wirkungsgeschichte immerhin zum wohl meistzitierten Satz aus
N.s Feder geworden ist.
467, 8 f. Und wir - wir müssen auch noch seinen Schatten besiegen!] Um wen
es sich bei diesem sprechenden Wir handelt, dessen Schlussplädoyer den Titel
des Textes erklärt, ist schwer zu sagen. Haben wir es mit einem Pluralis aucto-
ris zu tun, das die Leser mit einschließen und für seinen Feldzug gegen Gottes
Schatten anwerben will? Oder sind es vielleicht gar schon „wir Philosophen
 
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