Stellenkommentar FW 108-109, KSA 3, S. 467 747
und freien Geister'" (574, 16), die später in FW 343 in anderer Weise wieder
auf den Schattenwurf des toten Gottes zurückkommen? Und wie lassen sich die
angekündigten Schattenkämpfe möglicherweise über mehrere „Jahrtausende"
(467, 6 f.) hinweg fortsetzen? Kann der angestrebte Sieg überhaupt jemals von
Menschen errungen werden, wenn es doch in der „Art der Menschen" liegt
(467, 6), dass Gottes Schatten so lange in den Höhlen sichtbar bleibt? Man
könnte die Stelle deshalb auch als Forderung nach einer Verwandlung und
Überwindung des (bisherigen) Menschen selbst lesen. Eine solche erhebt je-
denfalls nicht nur das sprechende Wir im unmittelbar folgenden Abschnitt
FW 109, wenn es in der Hoffnung, dass „uns alle diese Schatten Gottes nicht
mehr verdunkeln", sehnsüchtig ausrufend fragt: „Wann werden wir anfangen
dürfen, uns Menschen mit der reinen, neu gefundenen, neu erlösten Natur zu
vernatürlichen!" (469, 1-4) Aus anderer Richtung zielt der ,tolle Mensch'
in FW 125 auf eine Transformation des Menschen nach dem Tod Gottes, wenn
er nach den Konsequenzen des von ihm konstatierten kollektiven menschli-
chen Mordes an Gott fragt und dabei statt einer ,Vernatürlichung' eine Vergött-
lichung' des Menschen selbst in Erwägung zieht, die auf Zarathustras Lehre
vom Übermenschen vorausweist: „Ist nicht die Grösse dieser That zu gross für
uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu er-
scheinen?" (481, 21-23) Gegen Ende des Vierten Buchs variiert FW 337 dieses
Thema unter dem Titel „Die zukünftige ,Menschlichkeit'" erneut
(hierzu insbes. NK 565, 22-30).
Noch im Spätwerk finden sich entsprechende Visionen eines künftigen,
neuen Menschen, der das Joch des christlichen Gottes endgültig abgeschüttelt
haben wird; vgl. beispielsweise die folgende ,Prophezeiung' in GM II 24, wo
expressis verbis vom menschlichen Sieg über Gott die Rede ist: „Dieser Mensch
der Zukunft, der uns ebenso vom bisherigen Ideal erlösen wird, als von dem,
was aus ihm wachsen musste, vom grossen Ekel, vom Willen zum
Nichts, vom Nihilismus, dieser Glockenschlag des Mittags und der grossen Ent-
scheidung, der den Willen wieder frei macht, der der Erde ihr Ziel und dem
Menschen seine Hoffnung zurückgiebt, dieser Antichrist und Antinihilist, die-
ser Besieger Gottes und des Nichts - er muss einst kommen ..." (KSA 5,
336, 25-32) Dass ,,[t]he Overhuman [...] is meant to replace the shadow of the
Christian God", steht für Verkerk 2019, 58 außer Frage.
467, 8 f. besiegen] In Cb2, 137 korrigiert aus: „besingen".
109.
Hüten wir uns!) Das Großoktavheft M III 1, das N. zwischen Frühjahr und
Herbst 1881 benutzte, enthält diverse Parallelstellen bzw. Vorarbeiten zu die-
und freien Geister'" (574, 16), die später in FW 343 in anderer Weise wieder
auf den Schattenwurf des toten Gottes zurückkommen? Und wie lassen sich die
angekündigten Schattenkämpfe möglicherweise über mehrere „Jahrtausende"
(467, 6 f.) hinweg fortsetzen? Kann der angestrebte Sieg überhaupt jemals von
Menschen errungen werden, wenn es doch in der „Art der Menschen" liegt
(467, 6), dass Gottes Schatten so lange in den Höhlen sichtbar bleibt? Man
könnte die Stelle deshalb auch als Forderung nach einer Verwandlung und
Überwindung des (bisherigen) Menschen selbst lesen. Eine solche erhebt je-
denfalls nicht nur das sprechende Wir im unmittelbar folgenden Abschnitt
FW 109, wenn es in der Hoffnung, dass „uns alle diese Schatten Gottes nicht
mehr verdunkeln", sehnsüchtig ausrufend fragt: „Wann werden wir anfangen
dürfen, uns Menschen mit der reinen, neu gefundenen, neu erlösten Natur zu
vernatürlichen!" (469, 1-4) Aus anderer Richtung zielt der ,tolle Mensch'
in FW 125 auf eine Transformation des Menschen nach dem Tod Gottes, wenn
er nach den Konsequenzen des von ihm konstatierten kollektiven menschli-
chen Mordes an Gott fragt und dabei statt einer ,Vernatürlichung' eine Vergött-
lichung' des Menschen selbst in Erwägung zieht, die auf Zarathustras Lehre
vom Übermenschen vorausweist: „Ist nicht die Grösse dieser That zu gross für
uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu er-
scheinen?" (481, 21-23) Gegen Ende des Vierten Buchs variiert FW 337 dieses
Thema unter dem Titel „Die zukünftige ,Menschlichkeit'" erneut
(hierzu insbes. NK 565, 22-30).
Noch im Spätwerk finden sich entsprechende Visionen eines künftigen,
neuen Menschen, der das Joch des christlichen Gottes endgültig abgeschüttelt
haben wird; vgl. beispielsweise die folgende ,Prophezeiung' in GM II 24, wo
expressis verbis vom menschlichen Sieg über Gott die Rede ist: „Dieser Mensch
der Zukunft, der uns ebenso vom bisherigen Ideal erlösen wird, als von dem,
was aus ihm wachsen musste, vom grossen Ekel, vom Willen zum
Nichts, vom Nihilismus, dieser Glockenschlag des Mittags und der grossen Ent-
scheidung, der den Willen wieder frei macht, der der Erde ihr Ziel und dem
Menschen seine Hoffnung zurückgiebt, dieser Antichrist und Antinihilist, die-
ser Besieger Gottes und des Nichts - er muss einst kommen ..." (KSA 5,
336, 25-32) Dass ,,[t]he Overhuman [...] is meant to replace the shadow of the
Christian God", steht für Verkerk 2019, 58 außer Frage.
467, 8 f. besiegen] In Cb2, 137 korrigiert aus: „besingen".
109.
Hüten wir uns!) Das Großoktavheft M III 1, das N. zwischen Frühjahr und
Herbst 1881 benutzte, enthält diverse Parallelstellen bzw. Vorarbeiten zu die-