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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 2. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73067#0008
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Stellenkommentar FW IV Untertitel/Motto, KSA 3, S. 521 1049

Viertes Buch.
Sanctus Januarius
Untertitel/Motto-Verse Sanctus Januarius.] Bei dem hier genannten Heiligen
handelt es sich nicht, wie Figal 2000b, 315 meint, um einen völlig „neu erfun-
denen Heiligen", sondern um eine ,Transfiguration' des in Italien populären
Heiligen Januarius (San Gennaro), der indes tatsächlich insofern „an den römi-
schen Türgott lanus erinnert" (ebd.), als sich sein Name - wie auch der des
ersten Monats im Jahr - etymologisch von diesem herleitet (vgl. NK 521, 15-
20). Bekannt ist der Heilige Januarius vor allem durch ein bis heute von der
katholischen Kirche inszeniertes Blutwunder, bei dem sein im Dom von Neapel
angeblich aufbewahrtes geronnenes Blut an bestimmten Festtagen wieder flüs-
sig werden soll, worauf das ,schmelzende Eis' in N.s Gedicht anspielt. Siehe
hierzu schon Kaufmann in Nietzsche 1974, 221, Anm., der auf Sigmund Freuds
Thematisierung dieses Blutwunders in Zur Psychopathologie des Alltagslebens
(1904) hinweist.
Zum Heiligen Januarius vgl. Meyer 1874-1884, 9, 488: „Heiliger, Bischof
von Benevent, starb unter Kaiser Diokletian als Märtyrer zu Puzzuoli und ward
in der nach ihm benannten Kathedrale zu Neapel beigesetzt, dessen Schutzhei-
liger er ist. Sein Haupt nebst zwei Fläschchen angeblichen Bluts, das eine Witt-
we bei seiner Enthauptung aufgefangen und dem Bischof Severus zu Neapel
verehrt haben soll, werden in der prächtigen Schatzkapelle aufbewahrt, und
das geronnene Blut soll wieder flüssig werden, so oft man es dem Haupt nä-
hert. Geschieht dies einmal nicht, so gilt dies als ein schlimmes Zeichen für die
Stadt und das Volk. Dies Wunder wird in der Regel zweimal im Jahr, 1. Mai
und 19. Sept., sowie bei besonderen Unglücksfällen versucht." Kritisch bezieht
sich darauf noch N.s Nachlass-Notat NL 1880/81, 8[9], KSA 9, 385, 19-22: „Ob
man nun an das Mitleid als Wunder und Quelle der Erkenntniß glaubt oder an
das Blut des heiligen Januarius: ich meine dann immer noch in einem halb
wahnsinnigen Zeitalter zu leben." In den Briefen an Heinrich Köselitz und
Franz Overbeck aus Genua vom 29. Januar 1882 erwähnt N. dann jedoch im
affirmativen Selbstbezug „diese Wunder des schönen Januarius" (KSB 6/
KGB III 1, Nr. 191, S. 161, Z. 20) bzw. ,,[d]ie wahren ,Wunder des heiligen Janua-
rius!'" (KSB 6/KGB III 1, Nr. 192, S. 163, Z. 52 f.). Im Kontext dieser Briefe meint
N. mit diesem „Januarius"-Wunder vor allem die Besserung seines psychophy-
sischen Zustands, die sich in jener Zeit ausweislich der Briefe (zumindest kurz-
fristig) einstellte. So wird der in Genua verbrachte Januar 1882 zum wundertäti-
gen „Sanctus Januarius" (vgl. ÜK 1).
Campioni 2010b f., 26 sieht hierin einen „Widerhall der zahlreichen Anspie-
lungen Stendhals auf den Saint Janvier / den Heiligen Gennaro - den ,heidni-

https://d0i.org/10.1515/9783110293296-003
 
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