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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0037
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18 Zur Genealogie der Moral

4 Konzeption und Struktur
Die Struktur von GM ist nicht vorab streng geplant, sondern im Schreibprozess
gewachsen. Die Entstehungsgeschichte des Werks macht augenfällig, dass es
zunächst nur aus der späteren Ersten Abhandlung bestanden hatte, die N.
Constantin Georg Naumann als „kleine Streitschrift" am 17. 07. 1887 zur so-
fortigen Drucklegung übersandt hat, um diese Anweisung Tage später zurück-
zunehmen, weil er weiterschrieb, so dass er am 29. 07. 1887 ein Manuskript an
den Verlag geben konnte, das bereits zwei Abhandlungen umfasste. Trotz Vor-
ankündigungen dauerte es noch einen Monat, bis N. schließlich am
28. 08. 1887 die dritte und endgültig letzte Abhandlung folgen ließ (die gern
zitierte Angabe von Köselitz ist also unzutreffend: „Die Streitschrift ,Zur Genea-
logie der Moral' entstand hauptsächlich im Juni 1887". Peter Gast: Nachbericht,
in: GoA 7 [1921], III). In NL 1886/87, KSA 12, 5[40], 198 wird der Eindruck er-
weckt, die Schrift sei schon ursprünglich in mehreren, nämlich vier Abhand-
lungen konzipiert gewesen; wirft man hingegen einen Blick in das entspre-
chende Notizbuch und in die Transkription von KGW IX, scheint es gar nicht
mehr eindeutig, ob die Aufzeichnungen überhaupt zusammengehören. In
KGW IX 3, N VII 3, 154, 2-8 ist zu lesen: „Zur Genealogie / der Moral. / Erste
Abhandlung: / ,über Gut und Böse, Gut und Schlecht.“ Auf der vorangehenden
Seite heißt es ganz unten: „2. das asketische Ideal / 3. Verantwortlichkeit. / 4.
K -DefcKampfmtit ,ich' und ,er'." (Ebd., 153, 38-42) Als Beleg dafür, dass N.
GM schon frühzeitig in mehreren Abhandlungen geplant hatte, können diese
Notizen also nur bedingt dienen - abgesehen davon, dass ihre Datierung unge-
wiss ist: Sie könnten durchaus erst entstanden sein, als N. bereits mit der Nie-
derschrift begonnen hatte.
Deutlich macht der Nachlass aber auch, dass N. mit den drei schließlich
publizierten Abhandlungen die Aufgabe, die Moral(en) in ihrer Entstehung
und Entwicklung zu ergründen für keineswegs abgeschlossen hielt. Im Heft W
II 1 - auch hier ist die Datierung unsicher, vielleicht Spätjahr 1887 - entwirft
er folgendes Titelblatt: „Zur Genealogie der Moral. / Zweite Streitschrift / von /
Friedrich Nietzsche. // Vierte Abhandlung: der Heerdeninstinct in der Moral. /
Fünfte Abhandlung: zur Geschichte der Moral-Entnatürlichung. / Sechste Ab-
handlung: unter Moralisten und Moralphilosophen. / Nachwort. Eine Abrech-
nung mit der Moral. Sie ist die Ursache des Pessimismus u. Nihilismus... / Des-
sen höchste Formel formulirt. / Die Aufgabe. / Eintritt in das tragische Zeitalter
von Europa". Und oberhalb von „Nachwort" ist noch eingeschoben: „Die Mo-
ral — ich habe es schon einmal gesagt — war bisher (als Circe der Philoso-
phen) / die Circe der Philosophen." (KGW IX 6, W II 1, 82, 2-24) Eine solche
Fortsetzung von GM blieb unausgeführt, das thematische Programm wurde
 
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